SPRACHE UND RHYTHMUS DER SPÄTEN HYMNEN HÖLDERLINS. 277
und »dann« sind hebungs- und senkungsfähig. Dagegen ist zu sagen:
einmal haben sie einen starken gehaltlichen Nachdruck. Und ich sehe
nicht ein, warum man dies bei der Bestimmung des Taktes nicht be-
rücksichtigen oder nur als Sache des individuellen Vortrags ansehen
soil. Zwar sollte man glauben, Hölderlin werde Worte wie »dann«
usw. eher verstecken, abschwächen, und zwar dadurch, daß er sie in
den Auftakt stellt. Daß er eine übermäßige Hervorhebung dieser Worte
doch nicht scheut, ja sucht, wenn sie wie hier Wechsel oder Wendung
des Gedankens veranschaulichen, wird sich aber noch zeigen.
Es wurde schon gesagt: nicht der Gedanke selbst, sondern der
Wechsel der Gedanken und Bilder wird an ihren Übergangspunkten
auf bestimmte Art kenntlich gemacht. Nicht die Bewegungsphasen des
Gehalts sind hier erfaßt, sondern sein innerer Bau, seine Tektonik.
Wir gelangen damit an das innerste Wesen des Hölderlinschen freien
Rhythmus. Der Rhythmus, scheinbar frei und ungebunden, offenbart eine
gewisse Gesetzmäßigkeit. Er wird zum Träger des tektonischen
Aufbaus, er gliedert die Hymne durch bestimmte äußere For-
men um so ihre »innere Form« zu versinnlichen. Der Auftakt in
der behandelten Art gebraucht, ist eine dieser bestimmten Formen. Um im
folgenden aufzuzeigen, wie sich wechselseitig Rhythmus und Tektonik
bedingen und zum Ausdruck bringen, muß weiter ausgeholt werden.
Man weiß, wie sehr Hölderlin sich mit dem inneren Bau eines
Gedichts befaßt hatte. Sein Aufsatz «Über die Grenzen der lyrischen,
epischen und tragischen Poesie l)« ist ein Niederschlag dieser theoreti-
schen Besinnung. Dort bestimmt er drei Töne«, die jedes lyrische
Gedicht enthalten soll: den heroischen, den idealischen und den naiven,
und zwar so, daß der folgende dem vorhergehenden immer entgegen-
gesetzt sein soll. Diesem i Sukzessionsgesetz« entspricht der Drei-
schritt seiner Oden von Thesis, Antithesis und Synthesis. Vietor hat
festgestellt, wie streng diese Dreiteiligkeit in allen Oden durchgeführt
ist-). Die Überleitung von der Thesis zur Antithesis und weiter zur
Synthesis geschah hier meist durch Konjunktionen, wie: denn, doch,
aber usf. So hatte ein Odenentwurf im oben angegebenen Sinne folgen-
des Aussehen (H. 381, 1):
Alles ist innig ....
Doch scheidet ....
So birgt der Diciuer ....
Verwegner! .... von Angesicht zu Angesicht
Schon an diesen skizzierten, fragmentarischen Versen ist der Dreischritt
ohne weiteres zu erkennen. Der innere Rhythmus der gedanklichen
') H. III, S. 257.
-) S. 89 f., 156 f.
und »dann« sind hebungs- und senkungsfähig. Dagegen ist zu sagen:
einmal haben sie einen starken gehaltlichen Nachdruck. Und ich sehe
nicht ein, warum man dies bei der Bestimmung des Taktes nicht be-
rücksichtigen oder nur als Sache des individuellen Vortrags ansehen
soil. Zwar sollte man glauben, Hölderlin werde Worte wie »dann«
usw. eher verstecken, abschwächen, und zwar dadurch, daß er sie in
den Auftakt stellt. Daß er eine übermäßige Hervorhebung dieser Worte
doch nicht scheut, ja sucht, wenn sie wie hier Wechsel oder Wendung
des Gedankens veranschaulichen, wird sich aber noch zeigen.
Es wurde schon gesagt: nicht der Gedanke selbst, sondern der
Wechsel der Gedanken und Bilder wird an ihren Übergangspunkten
auf bestimmte Art kenntlich gemacht. Nicht die Bewegungsphasen des
Gehalts sind hier erfaßt, sondern sein innerer Bau, seine Tektonik.
Wir gelangen damit an das innerste Wesen des Hölderlinschen freien
Rhythmus. Der Rhythmus, scheinbar frei und ungebunden, offenbart eine
gewisse Gesetzmäßigkeit. Er wird zum Träger des tektonischen
Aufbaus, er gliedert die Hymne durch bestimmte äußere For-
men um so ihre »innere Form« zu versinnlichen. Der Auftakt in
der behandelten Art gebraucht, ist eine dieser bestimmten Formen. Um im
folgenden aufzuzeigen, wie sich wechselseitig Rhythmus und Tektonik
bedingen und zum Ausdruck bringen, muß weiter ausgeholt werden.
Man weiß, wie sehr Hölderlin sich mit dem inneren Bau eines
Gedichts befaßt hatte. Sein Aufsatz «Über die Grenzen der lyrischen,
epischen und tragischen Poesie l)« ist ein Niederschlag dieser theoreti-
schen Besinnung. Dort bestimmt er drei Töne«, die jedes lyrische
Gedicht enthalten soll: den heroischen, den idealischen und den naiven,
und zwar so, daß der folgende dem vorhergehenden immer entgegen-
gesetzt sein soll. Diesem i Sukzessionsgesetz« entspricht der Drei-
schritt seiner Oden von Thesis, Antithesis und Synthesis. Vietor hat
festgestellt, wie streng diese Dreiteiligkeit in allen Oden durchgeführt
ist-). Die Überleitung von der Thesis zur Antithesis und weiter zur
Synthesis geschah hier meist durch Konjunktionen, wie: denn, doch,
aber usf. So hatte ein Odenentwurf im oben angegebenen Sinne folgen-
des Aussehen (H. 381, 1):
Alles ist innig ....
Doch scheidet ....
So birgt der Diciuer ....
Verwegner! .... von Angesicht zu Angesicht
Schon an diesen skizzierten, fragmentarischen Versen ist der Dreischritt
ohne weiteres zu erkennen. Der innere Rhythmus der gedanklichen
') H. III, S. 257.
-) S. 89 f., 156 f.