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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0355
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BESPRECHUNGEN.

Kunst- und Literaturgeschichte eine spezifisch geistesgeschichtliche Richtung. Diese
richtet sich auf das Wollen des Werkes und des Künstlers, aber nicht im Sinne
einer biographischen Psychologie, sondern im Sinne der Herausarbeitung der über-
persönlichen Kräfte, Tendenzen, Strömungen, Ideen, die als Exponenten oder als
Symbole allgemeiner geistiger Zusammenhänge dienen. Er entwickelt die grund>
sätzlichen und die zeitgeschichtlichen Voraussetzungen dieser Richtung, besonders
betont er den — sozialistischen oder völkischen — Kollektivismus als ihren geistigen
Mutterboden. In eingehender kritischer Würdigung vieler Beispiele aus der gegen-
wärtigen Literaturgeschichte und Kunstgeschichte verficht Verfasser das Vorrecht
anderer geisteswissenschaftlicher und historischer Betrachtungsweisen, insbesondere
der biographisch-charakterologischen.

Liebert sieht in der »Angst vor der Technik«: ein charakterologisches
Problem unserer Zeit. Er macht den Versuch, den Gegensatz zwischen dem »Geist
der Technik« und den »romantisierenden« Tendenzen der Gegenwart dadurch zu
überwinden, daß er in der Idee der Technik, in der Projektierung, in der Erfin-
dung, in der Ausgestaltung und schließlich im Wesen der Maschine selbst neben
der real-rationalistischen Komponente auch eine ideal-romantische Tendenz heraus-
hebt, eine »Eigenart, Problem zu bleiben, und gerade daraus Kraft und
Zukunft zu gewinnen«. So wird er dem neuerdings viel angefeindeten amerika-
nischen Menschentypus gerecht, als dessen Wesen er nicht nur die unbefangene
sachliche Einstellung zur Technik würdigt, sondern gerade, jenseits der ökonomisch-
utilitaristischen Auswertung derselben, eine unbekümmerte »romantische Begeiste-
rung« an der Technik und ihrem problematischen Gehalt.

Alfred Petzoldt handelt »Vom Problem des Verstehens*. Er identifiziert
dies Problem mit demjenigen der Psychologie überhaupt und bearbeitet es im Sinne
der Lehre Hönigswalds. Er glaubt auf diesem Wege sowohl den Psychologismus
zu überwinden als auch das Verhältnis des Seelischen zur Geltung zu klären. An
die Stelle der Disjunktion Objekt-Subjekt, mit welcher das Problem des Verstehens
und der Verständigung nicht gelöst werden könne, setzt er die Beziehung Objekt-
Erlebnis. Im Begriff der Verständigung liegt einmal ein von jedem Subjekt unab-
hängiger Sachverhalt, sodann aber die Gemeinschaft derer, die sich verständigen.
Der Sachverhalt beansprucht Geltung, d. h. er beansprucht von allen verstanden zu
werden. Darin liegt kein Psychologismus: der Gegenstand ist unabhängig vom zu-
fälligen Denkakt des Einzelnen. Aber diese Unabhängigkeit des Gegenstandes be-
deutet doch nichts anderes als die Forderung, daß ihn möglicherweise jemand denke;
und wird er tatsächlich von jemanden gedacht, so bedeutet dies gleichzeitig den
Anspruch des möglichen Gedachtwerdens von allen. So tritt das Erlebnis auf als
ein Prinzip gegenständlicher Valenz. Verständigung ist gefordert im Gedanken
der Gegenständlichkeit, sie ist Bedingung dafür, daß ein Gegenstand für alle grund-
sätzlich der gleiche muß sein können, sie ist Voraussetzung, daß etwas mit sich
selbst Identisches Anspruch auf Bestand erhebt. Im Begriff der Verständigung kommt
jene Beziehung zum Ausdruck, welche die Funktion der Wahrheit mit dem
Wissen um das Wahre verbindet. Die Arbeit ist schwierig und nach der
logischen wie phänomenologischen Seite hin gleich anfechtbar.

Emil Utitz handelt über »Charakterologie und Ethik«. Weder darf
die Charakterologie sich betriebsam in die Geschäfte der Ethik einmischen, noch
darf die Ethik ihre Leitlinien einer Charakterologie vorschreiben. Aber die Ethik
weist der Charakterologie Aufgaben zu; und die Charakterologie liefert der
ethischen Wertung die Materialien und Bestimmungsstücke. Denn die Ethik kann
niemals die isolierte Tat bewerten; sie bewertet Gesinnung und Persönlichkeit und
 
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