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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0379
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366

BESPRECHUNGEN.

Jakuschi des Shinjakuschiji in Jamoto und sogar noch die sechsarmige Kwannon
des Todaiji bewahren. Doch wird auch die leicht geschwungene Haltung der indo-
chinesischen Vorbilder schon in der Relieftrinität des 7. Jahrhunderts im Horiuji und
sogar in den Freifiguren des Nikko und Gakko der oben erwähnten des Jakuschiji
nachgebildet. Während der Tempyo-Zeit setzt sich bei engstem Anschluß an die
chinesische Kultur in der japanischen Plastik der Naturalismus immer entschiedener
durch. Er gefällt sich einmal in der mannigfaltigen Abwandlung der bewegten
Grundstellung des grotesken Typus der Weltenhüter, dessen Entstehung aus China
sowohl durch glasierte Grabstatuetten wie durch ein Felsrelief in Lung-Men gesichert
ist, und des grimassierenden Ausdrucks ihrer zähnefletschenden und grimmig
blickenden Köpfe. Er kleidet nicht nur die Begleitgestalten der Gottheiten, wie z. B.
die Buddhajünger Bonten und Taishaku zu Seiten der oben erwähnten Kwannon
des Todaiji, sondern sogar den hockenden Juima des Hokkeji in die weitärmelige
Volkstracht und legt sie in solchen Lackskulpturen in natürliche Falten oder bildet in
stehenden Buddhaschülern geradezu die Erscheinung predigender Mönche nach.
Anderseits stellt er meditierende heilige Mönche, z. B. Kauschin im Tschodaiji und
Gjoschin im Horiuji in der Schneiderstellung dar und kennzeichnet sie durch Porträt-
köpfe und die reiche Verhüllung im Unterschiede von dem ebenso dasitzenden
Sakjamuni oder Vairocana, deren Gewandung den gleichen weichen Stoffcharakter
annimmt und nunmehr schon eine völlig verstandene struktive Lagerung der durch-
gebildeten Glieder durchblicken oder gar hervortreten läßt. Ja, in dieser Technik
gewinnen auch die hieratischen Standbilder, wie z. B. der Gigeiten des Akischino-
dera, durch asymmetrische Verschiebung der Füße und schwache Andeutung von
Standbein und Spielbein unter dem glatt herabfließenden Gewände den Schein
freierer Beweglichkeit. Doch lebt daneben auch der strengere Stil der Tangkunst
in den geheiligten Typen eines Maitreya im Koriuji und anderes mehr fort, sowie
das reiche ornamentale Linienspiel in den Gewändern dekorativer Reliefgestalten
und im Geflecht der chinesischen Schnörkelranke. Die Absonderung der späten
Tangkunst (800-900 n. Chr.) dient wohl vor allem der Durchführung der ver-
gleichenden chronologischen Betrachtung, wenn sie auch einer gewissen inneren
Berechtigung nicht entbehrt. Es handelt sich dabei in China offenbar um die letzte
Stiiphase der vorhergehenden Entwicklung, die durch eine unter der Anregung
indischer theologischer Spekulation hervorgerufene archaisierende Richtung gekenn-
zeichnet ist. An ihr Hauptdenkmal, die Gruppe der fünf reitenden Bodhisatvas des
Togi in Kyoto, schließen sich mehrere andere sichtlich von der Bronzeplastik ab-
hängige Holzschnitzereien an, an denen die Faltengebung einem manierierten
strengen Parallelismus unterworfen wird. Die japanische Kunst der entsprechenden
Jogan-Zeit läßt bereits eine größere Widerstandsfähigkeit gegen den chinesischen
Einfluß erkennen, indem die Gewandbehandlung auch in der Nachahmung der
ornamentalen Anordnung bei den Kultbildern der neuen taufrischen Sekteil noch
eine lebendige Stofflichkeit bewahrt. Bei anderen Bildwerken, zumal den Shinto-
Gottheiten, behält sogar der porträthafte Naturalismus der Köpfe seine Wirkung.
Erst in der Folgezeit der Fugiwaradynastien (900—1200 n.Chr.) entsteht auch in
Japan ein Idealstil, der, getragen von der volkstümlichen Jodosekte, die buddhisti-
schen Götterbilder ihrer individuellen Züge mehr und mehr beraubt und sogar auf
die Bildnisstatue übergreift. Allein neben dieser von Jocho begründeten Schule der
neuen Hauptstadt Kyoto lebt in Nara die ältere naturalistische Richtung fort, die
das japanische weibliche Schönheitsideal auf den Bodhisatvatypus überträgt. So
spiegelt diese ganze Entwicklung in überaus lehrreicher Weise eine zwischen dem
religiösen Vorstellungsleben und der rassenhaften Naturanschauung bestehende
 
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