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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0471
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458

BESPRECHUNGEN.

gnügt — so wenig ... als sie den Geist allein angeht oder im Sinn einer moralisch
guten Handlung unser sittliches Gefühl allein befriedigt. Sie ist ein ,freies', also
nicht unter dem Zwang unserer Sinnlichkeit stehendes Vergnügen, weil bei ihrer
Ausübung ,die geistigen Kräfte, Vernunft und Einbildungskraft, tätig sind und die
Empfindung durch eine Vorstellung erzeugt wird'; sie hat also auch moralischen
Wert, insofern ja die ,ganze sittliche Natur des Menschen', d. h. alles, was den
Menschen zum Menschen macht, seine freie Menschlichkeit dabei beschäftigt ist.
Auf diese und nur auf diese Weise nimmt die Kunst als solche ihren Umweg durch
die Moralität, indem sie sich an den freien, sich selbst bestimmenden Menschen
wendet.« Diese freie geistige und sittliche Natur ist es, die sich im Widerstand
gegen das von außen kommende Leid bewährt. Aus dieser Betätigung unserer
geistigen Freiheit, aus dem Innewerden der inneren sittlichen Spontaneität bei
äußerer Bedrückung erwächst die Lust am Tragischen. — In diesem Aufsatz ist ein
störender Druckfehler zu korrigieren; in dem Buchzitat auf S. 197 »Weiser, Schiller
und das deutsche Geistesleben« ist statt Schiller »Shaftesbury« einzusetzen.

Der weitaus reichhaltigste Abschnitt des Buches ist der dritte, der »Faustsage
und Faustdichtung« behandelt. Zu den bisherigen philosophisch orientierten Ab-
handlungen treten hier philologische, und zwar werden nicht nur Untersuchungen
geboten, sondern auch Texte publiziert (z. B. der »mittellateinische Militarius«
und »Magierszenen« aus einem lateinischen Theophilusdrama). Der Gesichtspunkt,
unter dem diese Aufsätze zu betrachten sind, ist ein literarhistorischer und philo-
logischer. Es ist daher hier nicht der Ort einer einläßlicheren Auseinandersetzung
mit ihnen, obgleich djer Verfasser genügend philosophischen Takt und kunstwissen-
schaftliches Interesse besitzt, um auch in durchaus literarhistorischen Unter-
suchungen, die sich 'mit speziellsten Detailfragen beschäftigen, zu Allgemeinformu-
lierungen zu gelangen, die auch für die Ästhetik und die allgemeine Kunstwissen-
schaft von hoher Bedeutung sind. — Der vierte Abschnitt »Aus der Welt des
deutschen Idealismus« behandelt im Sinn jener neuen geisteswissenschaftlichen
Literaturforschung, die in unseren Tagen den positivistischen Philologismus früherer
Schulen abgelöst hat, einige belangvolle Probleme. Eine Gedächtnisrede auf Klop-
stock versucht neben einer Würdigung des historischen Werts der Leistung dieses
Dichters eine Beantwortung der Frage, was er uns heute noch bedeuten könne.
Klopstocks unsterbliches Verdienst ist es, »daß er als erster unter allen unseren
neuen Dichtern ein starkes persönliches Erlebnis künstlerisch ausgesprochen und
sich dafür allmählich die seiner Person und seinem Erleben gemäße Form gebildet
hat«. All den nach ihm Kommenden hat Klopstock den Weg zu einer unmittelbar
aus dem Herzen quellenden und ihre Form sich schaffenden Dichtung gewiesen.
Es hätte noch stärker betont werden können, daß die moderne Ausdruckskunst in
dem expressiven Odendichter und hymnischen Lyriker Klopstock einen Geistes-
verwandten zu verehren hat. — Klopstocks Lebensform« war das Religiöse und
er hat sich nach der religiös-moralischen Seite ebenso bewußt und kraftvoll ein-
sei;i; entwickelt wie sein Antipode Heinse, dem der nächste Aufsatz gewidmet ist,
nach der sinnlich-artistischen Seite hin. Dieser Aufsatz »Wilhelm Heinse und der
ästhetische lmmoralismus« sucht im Gegensatz zu den konventionellen Urteilen der
landläufigen literarhistorischen Kompendien eine Neubewertung Heinses im Sinn
einer fortschrittlichen Literaturgeschichte zu geben, die sich des Zusammenhangs
zwischen Dichtung und allgemeiner Geistesentwicklung stets bewußt bleibt. Heinse
ist der im IS. Jahrhundert wirkende Prophet jenes ästhetischen Herrenmenschen-
tums, das für uns Heutige am glänzendsten durch Nietzsche repräsentiert ist. — Der
nächste Aufsatz beschäftigt sich mit »Goethes Stellung zur Unsterblichkeitsfrage«;
 
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