Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0475
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
462

BESPRECHUNGEN.

Bildern fragt, das aber mit Andacht vor einem gar unschönen traurigen Kruzifix
kniet (S. 110), in die unteren Kreise, denen die konservative Vorliebe für die Art der
Nazarener eingeboren ist, und in die gebildeten Schichten, die viel leichter aufs
Neue einzugehen gewillt und befähigt sind (S. 141); es tritt aus dem Begriffsganzen
die Masse heraus, für die die Kunst eines Qreco nichts sein kann (S. 35), und es
bleibt das Volk, das gerne das Große für das Liebenswürdige hingibt (S. 109), das
— weiteste Kreise der Gebildeten miteingeschlossen — durchweg der Kunst mehr
gegenständliches als künstlerisches Interesse entgegenbringt (S. 237, z. v. S. 101, 126,
127). Was bleibt als Volk für eine große Kunst?

Der andere Punkt, gegen den ich grundsätzliche Bedenken hege, ist die Schei-
dung von Kulturellem und Religiösem innerhalb des Komplexes »religiöser Akt«.
»Es ist für den religiösen Akt«, meint der Verfasser, »für seine Wärme und In-
brunst, für seinen Wert und seine Wirkungen in der menschlichen Seele völlig
gleichgültig, auf welchen geschöpflichen Anreger er zurückgeht, ob diese Anregung
von einem Kunstwerk hohen oder höchsten Ranges ausging oder von einem viel-
leicht sehr geringen« (S. 118). Ich glaube doch nicht: gewiß, »die Güte des Aktes
als eines übernatürlichen steht in keinerlei Proportion zu einem Anreger aus der
natürlichen Ordnung«. Das ist aber abstrakt-metaphysisch gedacht: für das lebendige
konkrete Subjekt ist es nicht gleichgültig, ob das Seelische, das für das Übernatür-
liche bereitgestellt wird, im Anreger dem Sentimentalen oder dem Heroischen nahe
steht (in Extremen gesprochen der Deutlichkeit wegen). Wenn der Verfasser das
Andachtsbild mit einer Brücke vergleicht, für die es gleichgültig ist, woraus sie be-
steht, wenn sie nur »hinüberführt« (S. 110), so ist dieser Vergleich gerade im ter-
tium comparationis äußerlich. Brücke und Fußgänger stellen nur eine äußere Einheit
des Mittels dar, eine persönliche Einheit aber liegt im religiösen Akt mit seinen
Komponenten, dem Seelischen und dem Übernatürlichen. Dazu kommt noch: die
Kunst bedeutet auch dem Verfasser eine der Urtätigkeiten sinnlich-geistiger Wesen
(S. 73). Und die Kultur betrachtet auch der Verfasser als Entfaltung der geistigen
Kräfte und Fähigkeiten der Menschheit, die der Schöpfer ihr verliehen hat (S. 121).
Und dann doch diese Scheidung von kulturell und religiös (besonders S. 157), nicht
als metaphysische Begriffe sondern als Elemente des lebendigen religiösen Aktes?
Auf diese Theologumena weiter einzugehen ist hier nicht der Ort.

Die Aufsätze, die einzelnen Künstlern gewidmet sind, vor allem Samberger und
Baumhauer, sind für mein Empfinden panegyrisch, besonders wenn man das, aller-
dings nur gelegentliche, negativ abgekühlte Urteil über Marees daneben hält (S. 111).
Auf Einzelnes kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. In der Hauptsache
handelt es sich darum, die Qualität zu messen. Das muß wohl noch gesagt werden,
es geht nicht an, die ganze Geschichte der Porträtkunst in Rembrandt und — Sam-
berger gipfeln zu lassen (S. 185, 191, 198). In der Kennzeichnung der Porträtkunst
der Ägypter (S. 183) ist, wie es scheint, die Zeit von Amenophis IV. ganz über-
schlagen. Schon das Büchlein von H. Schäfer, Das Bildnis Im alten Ägypten (Biblio-
thek der Kunstgeschichte II) läßt das Urteil, »am ehesten könne man noch bei
einigen Pharaonengestalten an Porträtähnlichkeit denken als den Tatsachen wider-
sprechend erscheinen. Auch der Satz über das Porträt Im 19. Jahrhundert, der es
nur an Rembrandt mißt (S. 185), sagt zu wenig. Ich denke an die Selbstbildnisse
von Delacroix, von Ingres, von Marees, an Bildnisse von Runge, an frühe Bildnisse
von Trübner, an Bildnisse von Corinth. Das Prädikat monumental« müßte strenger
gefaßt werden (z. v. Popp, Die figurale Wandmalerei, Anhang). Über das Verhält-
nis von Kunst und Spiel wäre wohl Cohn, Allgemeine Ästhetik (S. 31 f.) zu hören,
so kurz er sich gefaßt hat.
 
Annotationen