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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0476
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BESPRECHUNGEN.

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Die Vorzüge des Buches treten in der Besprechung vielleicht weniger hervor
als die Punkte, in denen ich mit dem Verfasser nicht einer Meinung bin. Das hat
seinen Grund darin, daß diese Vorzüge auf einem Gebiet liegen, das für die Zeit-
schrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft nicht in Frage kommt. Darum
sei es noch betont: Vorzüge des Buches sind das warme Interesse für die Kunst
und die gewiß nicht grundsatzlose Aufgeschlossenheit des Verfassers für neues
Leben und neue Werte: eine Aufgeschlossenheit, die in gleicher Weise im Boden
orthodoxer Theologie (S. 121 f.) wie einer geweiteten Menschlichkeit (z. v. S. 15,
71, 88, 121) wurzelt.

München. Georg Schwaiger.

Fritz Qiese, Körperseele. Gedanken über persönliche Gestaltung. Delphin-
Verlag, München (o. J.). Mit 88 Abbildungen.
Das Problem, das der vielseitige Verfasser behandelt, gehört dem Gebiet der
ästhetischen Kultur an. Es ist die Frage nach dem Zusammenhang und der Art der
Wechselwirkung zwischen Leib und Geist, die hier untersucht wird, und nach der
Möglichkeit einer Erziehung im Sinne einer Harmonie zwischen diesen beiden
Größen. Damit werden Fragen aufgeworfen, die nicht auf einen seinswissenschaft-
lich zu erfassenden, psychophysiologischen Zusammenhang gehen, sondern auf eine
erst heranzubildende, körperlich-seelische Ausdruckseinheit. Es handelt sich also um
etwas ganz anderes, als nur um Körperübungen und Kräftigung des Körpers. Zur
Erziehung der körperlich-seelischen Ausdruckseinheit, die der Verfasser »Körper-
seele« nennt, sind in den letzten zwei Dezennien zahlreiche Lehrsysteme entstanden
und haben eine Bewegung eingeleitet, die noch immer weiter wächst, weil sie offen-
bar aufs engste mit allgemeinen Kulturtendenzen unserer Zeit verbunden ist. Die
Literatur über das neue Gebiet ist spärlich. Von dithyrambischen Ergüssen in den
Zeitschriften der Jugendbewegung und von den Programmsctiriften der einzelnen
Richtungen abgesehen, gibt es eigentlich noch keine wissenschaftliche Untersuchung.
Die Schrift des Verfassers, die zwar auch noch viele Wünsche unerfüllt läßt, stellt
den ersten Versuch einer wissenschaftlichen Behandlung dar, den man mit Achtung
nennen muß.

Die neuen Bestrebungen erfordern eine Untersuchung nach verschiedenen Rich-
tungen. Einmal verlangen sie eine Darstellung der verschiedenen Sonderziele, die
sich die Körperkulturbewegung steckt und von deren Erreichung man die Erringung
der idealen leiblich-seelischen Einheit erhofft. Dabei wird sich ergeben, daß die
verschiedenen Schulen der Gegenwart im allgemeinen darum auseinandergehen,
weil sich ihnen das Endziel in verschiedener Inhaltlichkeit darstellt. Aber man kann
auch zeigen, daß zuweilen die praktische körperbildnerische Arbeit tatsächlich etwas
ganz anderes zu verwirklichen trachtet, als die theoretischen und programmatischen
Äußerungen der Schulhäupter erwarten lassen. Hier würde man mit einer wissen-
schaftlichen Untersuchung und Kritik mancher in ein Mißverständnis mit sich selbst
geratenen Schule einen Dienst erweisen. Die wissenschaftliche Behandlung der
ganzen Frage würde aber auch zeigen, daß die Sonderziele der verschiedenen
Schulen sich nicht notwendig gegenseitig ausschließen, sondern in einer Reihe an-
ordnen lassen, nach der das Niedere erreicht sein muß, wenn man mit Erfolg um
die Verwirklichung des Höheren ringen will. Und schließlich hätte die wissenschaft-
liche Behandlung des Problems der Körperseele und der Erziehungsmethoden zu
zeigen, daß das Ideal der leiblich-seelischen Lebens- und Ausdruckscinheit je nach
dem allgemeinen Kulturprinzip sehr verschieden sein kann, daß aber auch die Ver-
 
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