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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0511
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BESPRECHUNGEN.

Jedenfalls ist dieses Werk für den Problemzusammenhang der Gegenwart nicht
nur, sondern der neuzeitlichen Philosophie überhaupt von einer merkwürdigen
Instruktivität, wenn es auch seiner Mentalität nach einer eben abgelaufenen Periode
angehört, an deren Überwindung wir arbeiten.

Frankfurt (Main). Fritz Heinemann.

Jean Baruzi, Saint Jean de la Croix et le probleme de Vexperience
mystique. Paris 1924, Alcan.

Dieses Werk gehört in die Reihe jener französischen psychologischen Studien
zur Religionsforschung und Mystik, als deren Hauptvertreter bei uns Henri Dela-
croix, dem auch dies Werk gewidmet ist, gilt. Mit größter Akribie und bohrender
Seelenkenntnis geht der Verfasser zu Werke. Nach einem Bericht über die Texte,
in denen das Werk des Mystikers Juan de Yepes, der später den Namen Juan de
la Cruz annahm, zugänglich ist, schildert er zunächst das Leben seines Helden, das
sich in jener leidenschaftlich erregten Zeit Spaniens, als deren Repräsentantin bei
uns die Hl. Teresa gilt, abspielt, oft dem Ketzertum ebenso nahe wie der Heilig-
keit. Von diesem Leben nun sucht Baruzi die Brücke zu schlagen zur mystischen
Lehre dieses seltsamen Mannes. Hier liegt auch das Interesse, das Baruzis Werk
für die ästhetische Forschung haben kann; denn es wird besonders im dritten Buche
tief hineingeleuchtet in die Zusammenhänge des mystischen Erlebens mit seinem
lyrischen Ausdruck. Diese Untersuchungen Baruzis sind wahre Meisterstücke einer
zugleich kühnen und vorsichtigen Forscherarbeit, um die Symbolfindung mystischer
Zustände zu erhellen. Um dieser Teile des Werkes willen, lohnt auch für den
Ästhetiker die Lektüre dieses Buches, das allerdings in erster Linie eine wertvolle
Bereicherung der religionspsychologischen Forschung ist und in dieser Hinsicht als
ein Muster sorgfältiger und feinsinniger Forscherarbeit gelten kann.

Berün-Halensee.

- Richard Müller-Freienfels.

Lia Siveltschinskaja, Versuch einer marxistischen Kritik der Ästhetik
Kants. Staatsverlag 1927. 209 S. (Russisch.)

Das hier njjmgriff genommene Problem ist neu, die Ergebnisse seiner Behand-
lung aber wiederholen längst Gesagtes. Der Marxismus, der in einer geschichtlichen
Untersuchung der ästhetischen Lehren neue Zusammenhänge und Perspektiven er-
arbeiten könnte, versagt, wenn man von seinem Standpunkte aus die Ästhetik nach
ihrer philosophischen Wahrheit hin zu prüfen unternimmt. Nur das erste Kapitel
des Buches, das einen (zu flüchtigen) Uberblick über die vorkantische Ästhetik ent-
wirft, sowie einzelne Bemerkungen über grundlegende Kantische Begriffe versuchen
die Theorien des Schönen materialistisch-geschichtlich und soziologisch zu beleuchten.
Z. B. wird der kategorische Imperativ erklärt als der Ausdruck der Zwangsmäßigkeit
der Arbeit, die zur Zeit des Aufblühens der Industrie aus der Entfremdung zwischen
Meister und Lehrling entsteht; der Begriff des Spieltriebs soll dann die Reaktion
gegen diese Lage ausdrücken (S. 63). Ein anderes Beispiel: mit dem Begriff des
Genies kämpfte Kant für den bürgerlichen Liberalismus gegen die feudalen Lebens-
formen (S. 93). Wie gestaltet sich aber die philosophisch-marxistische Untersuchung?

Es wird eine innerlich wenig zusammenhängende Reihe von Referaten über
einzelne Paragraphen der Kritik der ästhetischen Urteilskraft gegeben. Dabei wird
ganz übersehen, daß Kants Lehre vom Ästhetischen nur aus der Betrachtung des
Schönheitsbegriffs in seiner Stellung im Ganzen des transzendentalen Systems zu
erfassen ist. Die Verfasserin dagegen findet in Kants Darstellung nicht philoso-
 
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