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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0518
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BESPRECHUNGEN.

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eine große Kosmographie der ganzen Erde bis nun gefehlt. Erst die letzten Jahre
haben ein Unternehmen gezeitigt, das — auf größter Basis errichtet — eine solche
Topographie verwirklichen will, wie sie das 16. Jahrhundert in Merians Weltchronik,
die Biedermeierzeit in ihren »Voyages pittoresques besessen. Das vorliegende Werk
wird in seiner Gesamtheit (ungefähr 30 Bände) die Schönheiten der Landschaft und
Baukunst aller wichtigeren Länder der Erde im Bilde festhalten. Jeder Band umfaßt
zirka 300 ganzseitige Bilder in Kupferdruck, Originalaufnahmen, welche eigens für
den Zweck des Buches gemacht worden sind.

Dieses großzügige Unternehmen ist speziell für den Kunsthistoriker von großer
Bedeutung. Die eigenartige Anlage des Werkes ist außerordentlich geeignet, die
Kunstschöpfungen in ihrer Verbundenheit mit der sie erzeugenden Landschaft dar-
zustellen. Nachdem die große philosophische und mystische Welle der Nachkriegs-
zeit abgeflaut ist, neigt man ja heute allgemein auch in der Kunstwissenschaft wieder
mehr dazu, die Kunstwerke nicht sowohl als ein individuelles Produkt, sondern
gewissermaßen als Naturprodukt anzusehen. Die geisteswissenschaftliche Einstellung
scheint in der Kunstwissenschaft wieder einer mehr naturwissenschaftlichen Platz
zu machen, wie diese etwa in der Methodenlehre Strzygowskis ihren Ausdruck
findet. Wenn es sich aber darum handelt, die Kunst in ihrer Verwachsenhtit mit
einer bestimmten Landschaft, einem bestimmten Klima, Volkscharakter usf. zu ver-
stehen, so wüßte ich zu diesem Zwecke kaum eine bessere Veranschaulichung als
das vorliegende Werk, das in seinem hochwertigen, künstlerisch gesehenen und vor
allem auch weniger bekannte Kunstwerke vorführenden Bildermaterial die Zusammen-
hänge zwischen Natur und Kunst deutlich vor Augen bringt. Auf den Inhalt der
Einzelbände einzugehen, ist auf engem Räume nicht möglich; jedenfalls ist dieses
Unternehmen sehr zu begrüßen, welches die heute für die meisten unmöglich ge-
wordenen Reisen zu den klassischen Kunststätten einigermaßen zu ersetzen imstande
ist. Man darf das vorliegende Werk ein Resümee der Gesamtkunst der Erde, bevor
sie von der immer fortschreitenden, alles gleichmachenden Zivilisation verschlungen
wird, nennen.

Wien. _ Ludwig von Bertalanffy.

H. Th. Bossert, Das Ornamentwerk. 120 Tafeln in vielfarbigem Offset- und
Buchdruck. Mit einem Geleitwort von O. von Falke. Verlag E. Wasmuth,
Berlin.

In der heute so modern gewordenen Beschäftigung mit der exotischen Kunst
stellt das Ornament an erster Stelle. Nicht mit Unrecht, denn gerade im Ornament
kommt die Verschiedenheit der Kunstzonen der Erde am besten zum Ausdruck. Der
Laie vermag sich von dem Reichtum der Formenwelt des Ornaments kaum einen
Begriff zu machen. Wenn man sich aber in dies seltsame Gebiet vertieft, so erkennt
man, daß hier stilistische Spannungen gegeben sind, denen gegenüber die Entwick-
lung der abendländischen Malerei von den van Eycks bis zum Expressionismus zu
einer bloßen Episode herabsinkt. Des jungen Goethes tiefes Wort: »Die Kunst ist
eher bildend als sie schön ist« — heißt, auf dies Thema übertragen: lange, bevor
es eine selbständige Malerei und Plastik gibt, welche versuchen, die Natur in Farbe
und Form wiederzugeben — lange vorher gibt es Ornamentik, welche die andrängende
Fülle der Erscheinungswelt stilisiert und zugleich dem Innenleben des Menschen
Ausdruck verleiht.

In diesem Sinne bietet das vorliegende Werk sowohl für den bildenden Künstler,
als auch für den Kunsthistoriker und nicht zuletzt für den Philosophen eine reiche
Fülle von Material. Mit außerordentlichem Fleiß ist eine Unzahl von Ornamenten
 
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