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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 32.1938

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Fries, Carl: Zur Metaphysik des Ästhetischen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14217#0312
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Zur Metaphysik des Ästhetischen

Von
Carl Fries

Bevor wir in die Betrachtung des Ästhetischen selbst eintreten, scheint
eine Verständigung über den Begriff der Metaphysik, wie er hier gemeint
ist, unerläßlich. Es wird heute viel von erneuerter Metaphysik gesprochen,
aber, soweit ich sehe, immer in einem Sinne, der einer philosophischen
Erfüllung wenig dient und hinter dem, was endgültige Klärung erfordert,
weit zurückbleibt. Es genügt m. E. nicht, das Rüstzeug dialektisch-begriff-
licher Vorstellungsreihen aufzubieten, um letzten Lösungen zu nahen.
Dies ist immer wieder und wieder versucht worden, ohne daß Einhellig-
keit erzielt worden wäre. Es muß endlich eingesehen werden, daß die auf
seitherige Denkmethoden gesetzten Hoffnungen mindestens zum Teil trü-
gerisch waren. Das Grundübel, um es kurz herauszusagen, bestand in
dem allbeherrschenden anthropozentrischen Gesichtspunkt. Man betrachte
metaphysische Anläufe, an welchem Teil der neueren Philosophie man
wolle, der Schelersche „Mensch im All" ist gleichsam symbolhaft für die
Frontrichtung neuerer Denkergenerationen.

Zur Begründung solcher Stellungnahme darf auf Tatsachen eines
scheinbar ganz fernliegenden, in Wirklichkeit eng benachbarten Gebietes,
nämlich der Biologie, hingewiesen werden, desjenigen Gebietes der Natur-
wissenschaft, auf dem die Frage nach einer Sinngebung des Natur-
geschehens die meiste Aussicht auf Beantwortung hat. Um einen besonders
beredten Fall herauszugreifen: der Hunger ist eine in dem gesamten an-
organischen, also dem quantitativ bei weitem umfangreichsten Naturteil,
völlig unbekannte Erscheinung. Erst mit der Organismenreihe setzt er ein
und äußert sich da mit gewaltiger, unwiderstehlicher Heftigkeit. Findet
sein Anspruch kein Gehör, so geht der ganze Organismus zugrunde. So
erscheint der Hunger unter den vier apokalyptischen Reitern. Da es keinem
chemischen oder physikalischen Gesetz entspricht, daß das Nichteingehen
einer an sich möglichen Verbindung unerträgliche Qualen bereitet, ande-
rerseits von einer bestimmten Stufe der Organismen an tatsächlich die
NichtVerwirklichung des Möglichen größte Schmerzen auslöst, so tritt
hier ein Novum auf, das zu der Frage nach seiner Entstehungsursache
berechtigt, ja zwingt. Erwägt man nun, daß nach künstlicher Einleitung
der Verbindung, die wir Ernährung zu nennen pflegen, sofort der Schmerz
 
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