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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Schröder, Alfred: Das "Sakrarium" in der Kirche zum hl. Kreuz in Augsburg: ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Monstranz
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0135

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195

1897.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr.

196

Nachricht findet unmittelbare und sicherste Be-
stätigung durch eine die Stifter bezeichnende
Inschrift auf dem Deckel des Schreines; wir
werden uns mit derselben bei Beschreibung des
Schreines zu beschäftigen haben. Dagegen ist
die Zeitangabe allein durch den Chronisten,
nicht auch durch eine inschriftliche Jahreszahl
verbürgt. Dieser Umstand fordert zur vor-
sichtigsten Prüfung auf.

Die Stifterinschrift auf dem Sakrarium be-
nennt zwei Gemahlinnen Ulrichs Marschalks von
Rechberg als Mitstifterinnen. Es lag demnach
zwischen der Absicht der Stiftung, welche selbst-
verständlich vor 1199 nicht entstehen konnte,
und dem Abschlüsse der Stiftung durch Ueber-
gabe des Sakrariums an die Kirche ein längerer
Zeitraum; die erste Gemahlin Ulrichs, mit der
er gemeinsam den Entschlufs der Stiftung fafste
und zur Ausführung der Stiftung Mittel aus-
warf, war gestorben und Ulrich hatte vor
Vollendung des Kunstwerkes eine zweite Ge-
mahlin genommen, welche sich auch an der
Stiftung betheiligen wollte und zur glänzenderen
Ausführung des Werkes gleichfalls eine Summe
beisteuerte.

Dieser zur Erklärung der Inschrift noth-
wendig vorauszusetzende Thatbestand läfst die
Zeitangabe des Chronisten in einem günstigen
Lichte erscheinen. Man wird sich nämlich
fragen müssen, wie der Chronist eben auf das
Jahr 1205 verfiel, wenn er sich hierin nicht auf
alte Nachrichten stützen konnte; näher lag ihm
doch, wenn er aus der Luft greifen wollte oder
mufste, das Jahr des Wunders 1199; denn die
Nennung von zwei Gemahlinnen alsMitstifterinnen
hätte den mittelalterlichen Chronisten schwer-
lich zu chronologischen Reflexionen veranlafst.
Zudem mufs man der Annahme, dafs die Be-
schaffung eines so überaus kostbaren Sakrariums
für das von Nah und Fern verehrte Heiligthum
im Kloster gleichzeitig nach Zeit und Um-
ständen notirt wurde, von vornherein einen
hohen Grad von Wahrscheinlichkeit zuerkennen.

Allein wir sind in den Stand gesetzt, das
Alter dieser chronikalischen Nachricht selbst
auf einen terminus post quem non zu bestimmen
und dieselbe bis zu einem ziemlich hohen Zeit-
punkt mit Sicherheit hinaufzudatiren. Diese
Nachricht setzt sich nämlich zusammen aus der
Zeitangabe und aus der Mittheilung zweier an
dem Sakrarium angebrachten Inschriften; nun
ist aber die eine dieser beiden Inschriften am

Sakrarium durch eine an demselben im Jahre 1346
vorgenommene Verstümmelung bis auf wenige
Buchstaben zerstört worden; es wird darauf
noch zurückzukommen sein; also geht der
chronikalische Bericht sicher auf Nachrichten
zurück, welche vor dem Jahre 1340 liegen. Bis
zu dieser Zeitgrenze aber konnte, wenn wirklich
etwa gleichzeitige schriftliche Aufzeichnungen
dem Chronisten nicht vorlagen, selbst die
Tradition das Jahr der Stiftung in völlig glaub-
würdiger Weise überliefern.

Hier nun tritt ergänzend und bestätigend
die urkundliche Ueberlieferung ein. Ein Ulrich
von Rechberg wird in Urkunden von 1179—1200
wiederholt genannt; seit 1194 erscheint er mit
dem Marschalkentitel.4) Zwar kommen in Ur-
kunden des XIII. Jahrh. noch zwei Ulriche von
Rechberg vor, einer 1215, ein zweiter 1255;
aber keiner von beiden legt sich den Marschalken-
titel bei. Da die dem XIV. Jahrh. angehörigen
Marschalken von Rechberg aus stilistischen
Gründen als Stifter nicht in Betracht kommen
können, so darf die Identität des Stifters mit
dem von 1179 bezw. 1194—1200 urkundlich
bezeugten Ulrich Marschalk von Rechberg als
erwiesen gelten. Gleichwohl ist das durch den
Chronisten in glaubwürdiger Weise bezeugte
Jahr 1205 als Jahr der Uebergabe des Sakra-
riums festzuhalten; denn wenn auch Marschalk
Ulrich in Urkunden nach 1200 nicht mehr
genannt wird, so kann er doch sehr wohl noch
einige Jahre gelebt haben; weisen doch auch
seine Regesten von 1179—1200 wiederholt
gröfsere als nur fünfjährige Lücken auf. Mar-
schalk Ulrich ist ein Ahne des noch blühenden
gräflichen Hauses Rechberg, dessen Stammburg
sich unweit des schwäbischen Städtchens Gmünd
erhebt.

Für die Zeit um 1200 als Stiftungszeit des
Sakrariums treten endlich auch sehr charakte-
ristische Stileigenthümlichkeiten ein, deren Be-
sprechung dem zweiten Theil dieser Erörterung
vorbehalten werden mufs.

Nach all dem mufs das Jahr 1205 als Jahr
der Vollendung und Uebergabe des
Sakrariums an die Kirche zum hl. Kreuz
für durchaus glaubwürdig überliefert gelten.

Das Sakrarium ist inschriftlich weiterhin nach
seiner Provenienz bestimmt. Eine Inschrift
auf dem Deckel des Schreines vermeldet näm-

4) Vergl. die Rechberger Regesten bei Chr. Fr.
Stalin »Wirtemberg. Gesch.« 2, G08.
 
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