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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Lübeck, C.: Die Tiere an der Krippe des Erlösers
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0016

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1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1

10

Die Tiere an der Krippe des Erlösers.

ie Sitte, während der Weihnachts-
zeit in der Kirche eine Krippe
aufzustellen mit dem Jesukinde, der
Gottesmutter, seinem Pflegevater
sowie einem Ochsen und Esel, wird gewöhnlich
auf den hl. Franziskus von Assisi zurückge-
führt.1) Mag dem nun sein, wie ihm wolle,2)
~~ der Brauch, die beiden genannten Tiere
neben die Krippe zu stellen, ist jedenfalls nicht
erst im XIII. Jahrh. aufgekommen, sondern war
schon einer früheren Zeit bekannt. Bereits den
primitiven Wandmalereien der Katakomben ist
er geläufig und zwar läfst er sich dort schon
für das vierte Jahrhundert nachweisen.

Die älteste Darstellung dieser Art findet
sich auf einem römischen Sarkophag-Fragment,
welches nach der Inschrift, die es trägt, mit
aller Sicherheit in das Jahr 343 zu datieren
ist.3) Auf dem Relief steht in freudig erregter
Haltung rechts und links ein Hirte, das Ge-
sicht einander zugewandt. Sie sind beide bart-
los und tragen Exomis und Pedum. Zwischen
ihnen befinden sich die Vorderteile eines
Ochsen und eines Esels. Rechts unten vor
ihnen liegt das Jesukind eingewickelt auf stark
zerstörter Unterlage. Zwischen dem Oberkörper
der beiden Hirten schwebt ein halbrunder
Gegenstand, welcher nach Schmid4) der abge-
brochene Stab eines Hirten, nach F. X. Kraus5)
die Mondscheibe, nach unserer Ansicht6) ein
Stern ist. Hinter dem links stehenden Hirten
befindet sich eine Baumkrone, welche die Szene
begrenzt, und eine an ihr vorbeizeigende Hand.
Ob dies nun die Hand eines der herankommen-
den Magier,7) oder nach Schmids Begründung

*) Vergl. z.B. Kirchenlex. VII ', 1196.

*) Die Krippendarstellungen sind zweifellos älteren
Datums; vergl. darüber u. a. J. Bonaccors i, »Noel,
Notes d'exegese et d'histoire«. (Paris 1903.) S. 111
bis 113.

3) Vergl. deRossi, «Insc. Christ.« I, p. 51, n. 73.
M. Schmid, »Die Darstellung der Geburt Christi in
der bildenden Kunst«. (Stuttgart 1890.) S. 2, n. 2.
F. X. Kraus, »Geschichte der christlichen Kunst« I.
(Freiburg 189(i.) S. 171.

*) Schmid a. a. O. S. 2.

*>) Kraus, »Realencyklopädie« II, 484

6) Vergl. unsere Ausführungen gegen W. Rothes
in der »Köln. Volkszeitun»« 1904, Nr. 71 (Montags-
Beilage Nr. 4).

') So Garrucci, »Storia dell' arte cristiana«
(Prato 1872 ss.) V. p. 145.

die eines auf den Stern hinweisenden Propheten
ist, ob mit andern Worten das ganze Relief
ein Epiphanie- oder Weihnachtsbild darstellt,
ist für unsere Ausführungen von keiner Be-
deutung.

Die Verwendung der beiden Tiere bei den
Krippendarstellungen ist also sehr alt und um
so auffälliger, als die Evangelisten Matthäus
und Lucas, welche allein uns einige Momente
aus der Kindheitsgeschichte Jesu erzählen, nichts
von der Anwesenheit der Tiere wissen. Wel-
cher Quelle letztere wohl ihre Ein-
führung zu verdanken haben?

Ehe wir diese Frage beantworten, möchten
wir eine andere vorlegen, welche uns sehr
wichtig erscheint, nämlich: welchem Zwecke
dienen denn Ochs und Esel an der Krippe —
einem historischen oder einem nur symbo-
lischen? Mit andern Worten, wollte man durch
die Einführung der genannten Tiere seiner
Meinung bzw. der „Tatsache" Ausdruck geben,
dafs dieselben einst wirklich im Stalle zu Beth-
lehem bei der Geburt des Herrn zugegen
waren, — oder aber wollte die Symbolik des
christlichen Altertumes damit einen anderen
Gedanken sinnbildlich zur Darstellung bringen?

Letzteres nimmt der französische Gelehrte
Grousset8) an und wiederholt damit eine
Ansicht, welche vor ihm schon Tillemont
ausgesprochen hatte. Nach diesem hatte man
den Ochsen als Repräsentanten des Juden-
tumes und den Esel als Vertreter des Heiden-
tumes neben die Krippe gestellt. Tillemont
stützt sich auf die hl. Väter, welche schon
ähnliches gesagt hatten. So bedeutet z. B. beim
hl. Augustinus der Ochse die Hirten und
der Esel die Magier.

Eine solche symbolische Auslegung kann
jedoch kaum auf Berechtigung Anspruch er-
heben; denn gerade den ältesten christlichen
Schriftstellern, welche die beiden Tiere an der
Krippe erwähnen, ist diese allegorische Deu-
tung unbekannt.9) Sie wissen nur von einer
historischen, nehmen also an, dafs die Tiere
einst wirklich bei der Geburt Christi anwesend
waren und deshalb in die bildlichen Dar-
stellungen der ersten Weihnacht gehören.

8) In den »Mel. d'Archeol. et d'hist , Ecole franc.
de Rome«. 1884 p. 334.

9) Vergl. darüber Schmid a. a O. S. 7tif
 
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