105
1905.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.
106
Ein Schweizer Kelch aus der Mitte des XVII. Jahrh.
(Mit Abbildung.)
ie deutsche Kirche St. Joseph zu Paris
besitzt einen interessanten Kelch
aus der Mitte des XVII. Jahrh.,
der es verdient, daß ihm hier einige
Worte gewidmet werden. Er ist genau datiert;
denn auf der Unterseite der Patene findet sich
um ein fein ausgeführtes Wappen herum die
samterscheinung nach noch ganz den Charakter
der spätmittelalterlichen gotischen Kelche an
sich trägt. Die Bildung der Kuppe, die tief
in einen von Lilien bekrönten Korb eingesenkt
ist, der sechsseitige Schaft, der sechsteilige
Nodus, dessen Buckel durch eine breite Rinne
voneinander geschieden und in der Mitte mit
Inschrift eingraviert: H ■ HAVPTMANN
■ 10 ST NIDERIST- DES ■ RAHTS ■ ZV ■
SCHWEITZ ■ VND ■ F ■ BARBARA ■ KO-
TING ■ LASSEN ■ IHREM E SOHN ■ F ■
IGNATI • NIEDRIST ■ DISEN ■ KELCH-
MA CHEN ■ 1646. Der Kelch wurde demnach
im Jahre 1646 angefertigt und zwar im Auf-
trag der Eheleute Niderist zu Schwyz, des
Rathauptmanns Jost Niderist und dessen Ehe-
frau Barbara geb. Koting. Er mag ein Primiz-
geschenk für deren Sohn, den Frater Ignatius,
gewesen sein.
Was an dem Kelch namentlich unser Inter-
esse fesselt, ist der Umstand, daß er seiner Ge-
scheibenförmigem Medaillon verziert sind, der
sechsseitige, in einem Sechspaß ausmündende
Trichter des Fußes, welcher einer runden, durch
eine Kehle nach oben zu sich verjüngenden
Platte aufgesetzt ist, folgen noch ganz den
Traditionen des XV. und beginnenden XVI.
Jahrh. Der neue Stil, die Renaissance, kommt
nur in dem Ornament zur Geltung und zwar
mehr in der Formensprache als im Motiv und
der Anordnung desselben. Es ist bemerkenswert,
daß bei den Kelchen aus dem XVII. Jahrh.
überhaupt noch häufig sich mehr oder weniger
Reminiszenzen an die Bildung der spätgoti-
schen Kelche finden, namentlich in Behandlung
1905.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.
106
Ein Schweizer Kelch aus der Mitte des XVII. Jahrh.
(Mit Abbildung.)
ie deutsche Kirche St. Joseph zu Paris
besitzt einen interessanten Kelch
aus der Mitte des XVII. Jahrh.,
der es verdient, daß ihm hier einige
Worte gewidmet werden. Er ist genau datiert;
denn auf der Unterseite der Patene findet sich
um ein fein ausgeführtes Wappen herum die
samterscheinung nach noch ganz den Charakter
der spätmittelalterlichen gotischen Kelche an
sich trägt. Die Bildung der Kuppe, die tief
in einen von Lilien bekrönten Korb eingesenkt
ist, der sechsseitige Schaft, der sechsteilige
Nodus, dessen Buckel durch eine breite Rinne
voneinander geschieden und in der Mitte mit
Inschrift eingraviert: H ■ HAVPTMANN
■ 10 ST NIDERIST- DES ■ RAHTS ■ ZV ■
SCHWEITZ ■ VND ■ F ■ BARBARA ■ KO-
TING ■ LASSEN ■ IHREM E SOHN ■ F ■
IGNATI • NIEDRIST ■ DISEN ■ KELCH-
MA CHEN ■ 1646. Der Kelch wurde demnach
im Jahre 1646 angefertigt und zwar im Auf-
trag der Eheleute Niderist zu Schwyz, des
Rathauptmanns Jost Niderist und dessen Ehe-
frau Barbara geb. Koting. Er mag ein Primiz-
geschenk für deren Sohn, den Frater Ignatius,
gewesen sein.
Was an dem Kelch namentlich unser Inter-
esse fesselt, ist der Umstand, daß er seiner Ge-
scheibenförmigem Medaillon verziert sind, der
sechsseitige, in einem Sechspaß ausmündende
Trichter des Fußes, welcher einer runden, durch
eine Kehle nach oben zu sich verjüngenden
Platte aufgesetzt ist, folgen noch ganz den
Traditionen des XV. und beginnenden XVI.
Jahrh. Der neue Stil, die Renaissance, kommt
nur in dem Ornament zur Geltung und zwar
mehr in der Formensprache als im Motiv und
der Anordnung desselben. Es ist bemerkenswert,
daß bei den Kelchen aus dem XVII. Jahrh.
überhaupt noch häufig sich mehr oder weniger
Reminiszenzen an die Bildung der spätgoti-
schen Kelche finden, namentlich in Behandlung