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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Moeller, Ernst von: Die Augenbinde der Justitia, [1]
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Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0074

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121

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST - Nr. 4.

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bekannt war. Andernfalls müßten wir die
Zeit des Aufkommens des Attributs mindestens
um ein paar Menschenalter hinaufdatieren.
Und davon kann bei dem Reichtum der bild-
lichen Überlieferung des XV. Jahrh. keine Rede
sein. Eine so freie Verwendung des Attributs,
W1e dann vorliegen würde, wäre erst lange
nach seiner Entstehung möglich. Das gilt hier
genau so wie vorher bei dem Januskopf teils
mit, teils ohne Augenbinde. Darum können
wir mit voller Sicherheit das Jahr 1494 als
festen Terminus a quo für die Entstehungszeit

des Attributs annehmen. Innerhalb der Gren-
zen 1494 und 1531 aber haben die späteren
Jahre die größere Wahrscheinlichkeit für sich.
So viel über die Zeit der Entstehung. Der
Ort der Entstehung ist damit zugleich fest-
gestellt: es handelt sich um den Südwesten
Deutschlands. Von dort aus ist die Verbrei-
tung über die übrigen deutschen und auslän-
dischen Gebiete vor sich gegangen. Wir
kommen jetzt zu den Ursachen der Ent-
stehung des Attributs. (Schluß folgt.)

Berlin. Ernst v. Mo eller.

Bücherschau.

Handbuch der christlichen Archäologie von
Carl Maria Kaufmann. Mit 239 Abbildungen.
Ferdinand Schöningh, Paderborn. (Preis 11 Mk.)
Lehrbücher, wie die „Wissenschaftliche Handbiblio-
thek" Schöningh's sie liefern soll, pflegen naturgemäß
aus der Lehrtätigkeit herauszufließen. Wenn, wie im
vorliegenden Falle, das Privatstudium dafür die alleinige
Quelle ist, dann setzt sie um so mehr Bienenfleiß
und Hingebung voraus. Daß diese im höchsten Maße
vorhanden sind, beweist schon der Blick in das In-
haltsverzeichnis, welches die Weite des Rahmens, die
Klarheit der Disposition, die Fülle der Details ahnen
läßt. — Bei der Einteilung in 6 Bücher, von denen
das I. als Pro pä deuti k sich mit Wesen, Geschichte,
Quellen - Bestand der christlichen Archäologie be-
schäftigt, das II. mit der altchristlichen Archi-
tektur, das III. mit den epigraphischen Denk-
mälern, das IV. mit der Malerei und Symbolik,
das V. mit der Plastik, das VI. mit Kleinkunst
und Handwerk, fällt zunächst folgendes auf: Die
Propädeutik ist fast zu umfangreich (108 Seiten) aus-
gefallen, fast zu detailliert in bezug auf die Literatur-
angaben, während die 30 Seiten umfassende Topo-
graphie der altchristlichen Denkmäler, trotz ihrer
Kleinarbeit, sehr zu begrüßen ist. — Die Architektur,
der 80 Seiten gewidmet sind, läßt an Vollständigkeit
der Arten nichts zu wünschen übrig, eher etwas
hinsichtlich der Zutaten und Einzelheiten. — Die
Epigraphik (189—274), vielleicht der dankbarste,
jedenfalls im Verhältnis zu den Vorläufern dieses
Werkes (Kraus, Schultze usw.) trotz ihres Umfanges
sein nützlichster Teil, sollte eher am Schlüsse des
Ganzen, als an dieser Stelle vermutet werden; ihre
chronologische Hülfstabelle ist eine ungemein
schätzbare Beigabe. — Die Malerei und Symbolik
(275—486) bilden den Löwenanteil; man möchte von
ihm nichts entbehren, erhebt aber unwillkürlich die
Frage, weswegen die mit so viel Liebe gepflegte
Symbolik in den beiden folgenden Büchern nicht
zu ihrem Recht kommt. — Die Plastik (487 — 542)
macht sich nach ihren verschiedenen Richtungen:
Bestimmung, Material usw. geltend; in Kleinkunst und
Handwerk werden die altchristlichen Textilien (Klei-
dung) wie die liturgischen Geräte gebührend berück-
sichtigt, zuletzt die bisher fast ganz vernachlässigten

Münzen. — Durch das ganze Werk gewinnt man
den Eindruck umfassender Literaturkenntnis, nament-
lich auch der neuesten Forschungen, von denen die
umstürzenden Strzygowski's den Verfasser am meisten
fasziniert haben, vielleicht allzuviel, jedenfalls etwas
vorschnell. Aber auch an unmittelbarer Vertrautheit
mit den Objekten fehlt es dem Verfasser nicht, und
daß er manche derselben in den altchristlichen Bilder-
kreis eingeführt hat, ist ihm als Verdienst anzu-
rechnen. — Sein Bilderschatz, d. h. sein Illustra-
tionsapparat ist für das Format und den Umfang
des Handbuchs eigentlich zu groß in dem Sinne, daß
viele seiner Textbilder zu klein geraten sind und
auch aus diesem Grunde minder deutlich. Immerhin
erleichtern sie sehr wesentlich das Veiständnis, mit-
beitragend zu dem aufrichtigen Willkommengruß, der
dem sehr zeitgemäßen, fleißigen Lehrbuche hiermit
entgegengebracht wird. h.

Germanische Frühkunst. Herausgegeben von
Prof. Karl Mohrmann und Dr. Ing. Ferd. Eich-
wede. 120 Folio-Tafeln (33X46 cm) in Licht-
druck mit erläuterndem Text. 12 Lieferungen zu
je 6 Mk. Chr. Herrn. Tauchnitz in Leipzig.
In der neuen Kunstbewegung mit ihrem Bedürfnis
nach Linienverschlingungen, Ranken und sonstigem
Ornament ist als der gesundeste Zug zu begrüßen die
Wiederanknüpfung an die germanischen Formen,
namentlich an die eigenartigen kraft- und phantasie-
vollen Gestaltungen, die als Erzeugnisse germanischen
Geistes betrachtet, daher als „Germanische Früh-
kunst" bezeichnet werden dürfen. Sie beschränken
sich nicht auf die deutschen Lande, haben vielmehr
auf die stammverwandten lonyobardischen, skandina-
vischen, angelsächsischen Länder sich ausgedehnt, so
da(.i sie in Obentalien sich finden wie in Dänemark,
Schweden, Norwegen, Jütland, auch in England und
Schottland, überall in aparter Entwicklung. Vom
Holzbau ausgegangen haben diese Denkmäler sich
konstruktiv entfaltet, zugleich der Metallverzierung die
Formen des Flechtwerks, der Rankenverzierungen,
der Tierornamentik entlehnt und dadurch gewaltige
Formenkreise gewonnen, die durch den Reichtum der
Ideen und Gliederungen von fesselnder Wirkung sind.
Daß diese Werke und Zierformen trotzdem bisher
 
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