Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

DOI Artikel:
Bücherschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0176

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
313

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

314

Bücherschau.

Der Altarbau im Erzbistum München und
Freising in seiner stilistischen Entwicklung vom
Ende des XV. bis zum Anfang des XIX. Jahrh.
Von Dr. Richard Hoffmann. Kurat bei St.
Johann N. in München. Mit 59 Abbildungen. Lin-
dauersche Buchhandlung in München. (Preis 4 Mk.)
Die allmählich üblich gewordene Betonung der
Gleichwertigkeit sämtlicher Stilarten hat wenigstens
die gute Folge gehabt, daß die Darstellung der Ent-
wicklungsserien einzelner Kunstzweige oder -Gruppen
nicht mehr vorzeitig, z. B. am Schluß des Mittel -
alters, Halt zu machen, sondern zumeist bis in den An-
fang des vorigen Jahrhunderts fortzuschreiten pflegt.
Dieser Gepflogenheit hat der Verfasser vorstehender
Schrift (die den IX. Band der „Beiträge zur Ge-
schichte, Topographie und Statistik des Erzbistums
München und Freising" bildet) mit Recht sich an-
geschlossen durch die eingehende Behandlung der
Altaranlage von der spätgotischen Periode bis zu der
des Klassizismus in einem umschlossenen, sehr produk-
tiven Bezirk, der in mancher Beziehung als typisch
für andere Gegenden betrachtet werden darf mit den
Einschränkungen, die gerade hinsichtlich der Kirchen-
ausstattung durch die lokalen Einflüsse bestimmt
werden. Mit wenigen Ausnahmen hat erst die spätere
Gotik den Altaraufsatz, zumal den geschnitzten, in
ihre Pflege genommen, besonders in Suddeutschland ,
wo er sich in großer Mannigfaltigkeit entwickelte.
An einigen charakteristischen Beispielen wird (im
I. Abschnitt) seine spielende Eigenart in München-
Freising beschrieben, die sich konstruktiv auch durch
die Renaissance (II. Abschnitt) behauptet bis in den
Beginn des XVII. Jahrh., obwohl schon vom zweiten
Viertel des XVI. Jahrh. an die Renaissance allerlei
Motive ornamentaler Art einzufügen sucht. Vom
letzten Viertel an bringt sie ihr System zur Geltung,
im Anschluß an die Kirchenkunst Italiens oder an die
Profankunst der heimischen Städte. — Dem Altarbau
des Barock ist der III., dem des Rokoko der IV. Ab-
schnitt gewidmet, und sehr reich ist hier die Ausbeute
für Stadt und Land, indem der Verfasser von Ort zu Ort
seine Untersuchungen anstellt und seine Beschreibungen
vornimmt, die er durch manche gute Abbildungen lehr-
reich illustriert. Mit dem Altarbau des klassizierten
Rokoko und des reinen Klassizismus beschäftigt sich
der V. Abschnitt; der letzte mit den Marmoraltären
aus echtem Material (wie er schon in der Früh-
renaissance begegnete) und aus Stuck. — Die über-
aus fleißige, sachverständige und objektive Arbeit ver-
dient alle Anerkennung, sowie Nachahmung in an-
deren Sprengein, auch in weniger reich dotierten.

K.

Festgabe zum Bonifatius - Jubilä um 1905.
I. Beiträge zur Geschichte der Grabes-
kirche des hl. Bonifatius in Fulda. Von Dr.
Gregor Richter. Mit 1 Lichtdrucktafel und
6 Abbildungen. II. Die Codices Bonifatiani
in der Landesbibliothek zu Fulda. Von
Dr. Carl Scherer. Mit 3 Lichtdrucktafeln und
5 Abbildungen. Fulda 1905. (Preis 3 Mk.)

In dem Rahmen einer Festschrift sind hier zwei
Abhandlungen zusammengefaßt, die dank dem Um-
stände, daß die Verfasser ihren Stoff vollständig be-
herrschten, trotz der kurzen ihnen zu Gebote ge-
stellten Zeit ein in den wesentlichen Punkten ab-
schließendes Ergebnis gebracht haben.

Die an erster Stelle genannte Arbeit, deren Thema
von dem gleichen Verfasser schon in einer Veröffent-
lichung des Fuldaer Geschichtsvereins (1900) gestreift
worden ist, gibt eine quellenmäßige, durch eine Grund-
rißkonstruktion und alte Abbildungen erläuterte Dar-
stellung der Baugeschichte der Fuldaer Abteikirche,
die, 791 begonnen, trotz mehrfacher Brände und
Erneuerungen in ihren Hauptmassen sich erhalten
hatte, bis sie im Beginn des 18. Jahrhunderts dem
prunkvollen Barockbau weichen mußte, der jetzt an
ihrer Stelle sich erhebt. Der Bau, dem um 970 im
Osten ein Paradies mit Kapelle angefügt wurde, stellte
sich als eine, eines östlichen Querschiffes entbehrende
Säulenbasilika dar, die im Osten mit einer von Türmen
flankierten Apside, im Westen mit einem Querschiff ver-
sehen war, dem sich eine weitere, das Grab des hl. Boni-
fatius enthaltende Apsis unmittelbar anschloß. Scheidet
die Kirche von Fulda somit aus der Reihe der deut-
schen, dem kreuzförmigen Basiliken-Typus folgenden
Primärbauten, dem Dehio sie zuteilte, aus, so bleibt
ihr dagegen der Ruhm, die erste Kirche auf deut-
schem Boden gewesen zu sein, die mit Westchor und
Westquerschiff versehen war. Wenn Dehio das Vor-
handensein eines westlichen Querschiffs als eine ohne
Analogon dastehende Abnormität deshalb ablehnt,
weil es bei dem Einflüsse Fuldas an einiger Nach-
ahmung sonst sicherlich nicht gefehlt haben würde
(»Repertorium f. K.« 16, S. 225), so muß dem entgegen-
gehalten werden, daß die feststehenden Tatsachen die
Grundlage der Baugeschichte bilden. Das Vorhanden-
sein eines westlichen Querschiffs für Fulda als eine
feststehende Tatsache nachgewiesen zu haben, ist das
Verdienst Richters. Freilich hat es für die Bauge-
staltung, in der sich die Kirche darnach darstellt,
auch bislang nicht an Vertretern gefehlt: mit dem,
was Richter aber jetzt an Material beigebracht hat,
ist auch der letzte Zweifel beseitigt.

„Ruhmestitel Altfuldas sind seine Bauten und seine
Bücher": Drei Bücher, die zum hl. Bonifatius in
Beziehung gesetzt werden, der Victor-Codex, der
Ragyndrudis-Codex und das Cadmug-Evangeliar, wie
die von Scherer neu geprägten Bezeichnungen lauten,
ruhen noch jetzt in dem die Landesbibliothek von
Fulda bergenden Heim, dem letzten architektonischen
Prunkstück, das Altfulda geschaffen hat. Bei seiner
eingehenden historischen, textkritischen, paläographi-
schen und sprachlichen, die Resultate der bisherigen
Forschung zum Teil beträchtlich umgestaltenden Unter-
suchung gelangt Scherer zu dem Ergebnis, daß die
erste der drei Handschriften dem VI. Jahrh , die beiden
anderen der ersten Hälfte bezw. dem ersten Drittel
des VIII. Jahrh. angehören und daß es aller Wahr-
scheinlichkeit der Ragyndrudis-Codex war, den der
Heilige über sich hielt, als er den Todesstreich er-
hielt, der das Buch durchschneidend sein Haupt zer-
 
Annotationen