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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Tafel 2
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Schnütgen, Alexander: Neue Kanzel hochgotischen Stils in der Marienkirche zu Bonn
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19

190"). — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

'20

Neue Kanzel hochgotischen Stils in der Marienkirche zu Bonn.

(Mit Abbildung.)

iir die von Prof. Prill im hoch-
gotischen Stile gebaute Marien-
kirche zu Bonn hat Bildhauer
Mengelberg den größten Teil
des Mobiliars besorgt, auch die hier abgebildete
ganz in Eichenholz ausgeführte Kanzel.
Ihres guten konstruktiven Aufbaues und ihrer
korrekten Details wegen dürfte ihre Veröffent-
lichung erwünscht sein, zumal an allen
Mustern in Holz großer Mangel herrscht, fast
noch mehr an brauchbaren neuen Vorbildern.
An einen Rundpfeiler des Mittelschiffs
auf der Epistelseite angelehnt, ruht die sechs-
eckige Kuppa in ihrer vorderen Hälfte auf
einer ebenfalls sechsgliederigen Bündelsäule,
die vorn und in der Mitte je zwei Rundsäulen
flankieren, wie jene aus polygonen Sockeln
herauswachsend, deren gemeinsamer Unter-
satz eine dünne Plinthe. Die hintere Hälfte,
deren Abschlußseite durch stumpfen Winkel-
bruch Anschluß an den Rundpfeiler gewinnt,
findet an ihm ihren Halt. Auf diese Weise
wird die eine Seite des Sechsecks durch die
Verbindung mit dem Pfeiler in Anspruch ge-
nommen, während die andere als Türe den
Endpunkt der Treppe bildet. In der Längs-
achse der Kirche mit zwei freistehenden Pfosten
anhebend, gewinnt sie mit der dritten Stufe
Anlehnung an den Pfeilersockel, um erst auf
der Höhe den Rundpfeiler zu treffen, an der
Türe, wo die schmalere Fassung ihr eine kleine
Einschnürung auferlegte. Um für die Treppe
auf halber Höhe die Drehung in einem nur
etwas abgestumpften Winkel zu ermöglichen,
bedurfte es eines bis auf den Boden herunter-
reichenden Pfostens, der durch seine Ab-
fasungen und Profilierungen die perspektivische
Wirkung noch steigert. Das Geländer besteht
aus durchbrochenen Maßwerkfüllungen, die
unten abgetreppt, oben zwickelartig gelöst, den
aufsteigenden Duktus finden. Die schrägen
Wangen, in welche die Stufen eingezapft sind,
haben durch kleine muldenartige Aushebungen
eine gewisse Gliederung erfahren, ohne ihre
Monumentalität einzubüßen. Das Stück Ge-
länder, das zur Kuppa überleitet, zeigt das
Maßwerk natürlich in Blendenform, — Die
Kuppa wächst aus der Säulenstellung in
strengster Konstruktion heraus, trichterartig

aus der etwas niedrigeren Mittelsäule, aus den
Nebensäulen in Form vorkragender Streben,
die zu den Ecken überleiten, untereinander
durch die Konsolen verbunden, die unten durch
einen Hängefries ihren dekorativen Charakter
wahren. — Die aus den Streben heraus-
wachsenden Ecksäulchen markieren das kon-
struktive Gefüge in der Überleitung zu dem
reich profilierten schweren Sims, der die Kuppa
abschließt. Starke Profilrahmen, in die Maß-
werkbögen baldachinartig eingespannt sind,
vermitteln den Übergang zu den Tiefen der
Felder, die durch die vorzüglich modellierten
sitzenden Gewandfiguren der Evangelisten gut
gefüllt sind.

Ein ausgeschnittenes, nach oben sich er-
weiterndes, dadurch tragenden Charakter ge-
winnendes Brett ist in eingeschnittener Flach-
relieftechnik mit der Standfigur des guten Hir-
ten geschmückt, die durch den sie bekrönen-
den Spitzbogen an dem aufstrebenden Zug
teilnimmt; dadurch wird es zum Träger für
die Rückseite des sechsseitigen Schalldeckels.
Ein Hängefries bildet den Übergang zu dem
schweren Kranzgesims, auf dem der architek-
tonische Deckelschmuck sich aufbaut. Jede
Seite ist durch zwei durchbrochene Frontispize
bekrönt, die durch eine sie überragende Fiale
geschieden sind, wie je eine Fiale auch die
Ecken besetzt hält. Eine Art von Kranz
schließt so den durch zwei Eisenstangen mit
Lilienendigung am Pfeiler befestigten Deckel ab.
Die geometrischen Maßwerk konstruktionen,
die in Form einer Rosette den Mittelpunkt jedes
Wimperges bilden, sind, sehr mannigfaltig in
der Form, von reizender Wirkung, und ihre
zahlreichen Durchbrechungen gehören in den
Kreis der Maßnahmen, den Deckel nicht schwer
erscheinen zu lassen. Die kräftigen Krabben,
die an den Seiten aufsteigen wie die breiten
Kreuzblumen, in die sie auslaufen, geben dem
Ganzen eine strenge und doch dekorative
Wirkung.

Bei jeder Kanzelanlage kommt es in erster
Linie darauf an, daß sie sich der Stelle an-
paßt, für die sie bestimmt ist, und in harmonischer
Weise sich aufbaut, mit Einschluß des Schall-
deckels, der nicht zu knapp gehalten sein, aber
auch über den Durchmesser der Kuppa nicht
 
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