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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Moeller, Ernst von: Die Augenbinde der Justitia, [2]
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Pelka, Otto: Das Rad, ein christliches Symbol?
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0090

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151

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

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zu sehr Sebastian Brants Wort entsprachen:
„Gerechtigkeit ist blind und tot."

Hier liegt die zweite und letzte Ursache,
daß man damals der Justitia die Augen ver-
band. Wer nur mit Zahlen rechnen kann,
wird hier keinen Zusammenhang sehen. Wer
aber historischen Blick für die Entwicklung
des deutschen Rechts besitzt, wird es nicht für
Zufall halten, daß das Attribut in der Zeit
der Rezeption entstand.

Und heute? Sollen wir jetzt nach vier

Jahrhunderten der Justitia die Binde wieder
von den Augen nehmen? Es hätte wenig
Zweck, den Wunsch zu äufsern. In solchen
Bräuchen läßt sich nichts befehlen und wenig
wünschen. Sorge lieber jeder Jurist dafür, daß
unser deutsches Recht deutscher, unsere Recht-
sprechung gerechter werde mit jedem Tag.
Dann wird einst in Zukunft unserer blinden
Göttin Themis-Justitia von selbst die Binde
von den Augen fallen.

Berlin. Ernst v. Mo eil er.

Das Rad, ein christliches Symbol?

eber den Ursprung des christlichen
Nimbus besteht wohl kaum noch
eine Meinungsverschiedenheit. Es
ist längst unbestritten, daß der
„Heiligenschein" wie manches andere als Erbe
der paganen Vorzeit vom Christentum über-
nommen wurde. Die Bedeutung hat er eben-
falls mit seinem heidnischen Vorgänger ge-
meinsam. Dort wurde er als Auszeichnung
göttlicher Personen und ihrer heroisierten
Halbbrüder verwendet; die Kunst des Christen-
tums gibt ihn den Personen der Trinität, sowie
Aposteln, Evangelisten, Heiligen etc. Daneben
tritt er auf als Attribut für profane Personi-
fikationen und für Lebende, die man so als
hervorragende Persönlichkeiten kennzeichnen
wollte, ja die christliche Kunst geht in der
Verallgemeinerung seiner Bedeutung noch
weiter und stellt ihn selbst, was jedoch als
nicht wiederholte Ausnahme zu gelten hat,
einmal dem Teufel zur Verfügung.

Ein schwedischer Gelehrter J) glaubt jetzt
auf Grund seiner ethnographischen Forschungen
für die Symbolik des christlichen Nimbus und
des als selbständiges Ornament auftretenden
kreisumschlossenen Kreuzes eine neue2) Er-
klärung gefunden zu haben. Wir lassen dabei
seine Ausführungen über die Verwendung des

') Professor Dr. Oscar Montelius in Stockholm :
„Das Rad als religiöses Sinnbild in vorchristlicher
und christlicher Zeit." Autorisierte und vom Ver-
fasser revidierte Übersetzung von A. Lorenzen in Kiel,
in: Prometheus, Illustrierte Wochenschrift über die
Fortschritte in Gewerbe, Industrie und Wissenschaft.
XVI. Jahrgang 1904/1905, Nr. 16 — 18. Ich zitiere
nach dem mir vorliegenden Separat-Abdruck.

2) Ähnliche Wege sind vor ihm schon andere mit
demselben Mißerfolge gegangen. Die Literatur bei
Kraus, R.-E. II p. 224, s. v. Kreuz.

Radsymbols auf vorgeschichtlichen und vor-
christlichen Monumenten auf sich beruhen und
beschränken uns darauf, den Wert seiner These
zu untersuchen, soweit sie für die Erzeugnisse
der christlichen Kunst Geltung beansprucht.

Anscheinend glaubt Montelius, der ja von
seinen ethnologischen Studien her gewöhnt
ist, mit größeren Zeitabschnitten umzugehen,
als sie hier je in Betracht kommen, sich über
eine auf gewissenhafter Beachtung der Chrono-
logie basierende Untersuchungsmethode hin-
wegsetzen zu dürfen. Wer stets nur die
großen, ganz allgemeinen Züge in den prä-
historischen und historischen Entwicklungs-
perioden zu verfolgen pflegt, dem schwächt
sich ungewollt das Auge für die dennoch be-
dingungslos zu fordernde Exaktheit in der
Kleinarbeit historischer Forschung, dem werden
„tausend Jahre" allerdings sehr leicht „wie
ein Tag".

Bei der Besprechung der für seinen Zweck
angeblich beweiskräftigen Denkmäler geht
Montelius nach einem ganz formalen Schema
zu Werke. Er behandelt ohne Berücksichtigung
des geschichtlichen Entwicklungsganges das
Material, wie es sich nach äußerlichen Zu-
fälligkeiten differenziert. „Der Umstand, daß
die Form wechselt, daß die Radsymbole
ebenso wie die wirklichen Räder Speichen in
verschiedener Zahl tragen, liefert den entschei-
denden Beweis dafür, daß diese Symbole
wirklich Räder sind und nicht, wie man in
bezug auf das vierspeichige Rad zu beweisen
versucht hat, ein von einem Kreise umgebenes
Kreuz oder ähnliches darstellen sollen". (S. 3.)
Diese Annahme bildet die Grundlage für seine
Ausführungen. Das Verfahren, das für den Be-
weis der Richtigkeit dieser These eingeschlagen
 
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