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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Lübeck, C.: Die Tiere an der Krippe des Erlösers
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0018

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1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

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denn keine eigentliche Krippe zum Lager des
göttlichen Kindes? Man wird doch füglich
nicht annehmen wollen, dafs ihrer Kunstfertig-
keit die Ausführung eines solchen Sujets
unmöglich gewesen sei!? — Zweitens ist
gar nicht ersichtlich, weshalb die Bildhauer
gleich den Dichtern aus der Bezeichnung
,,Krippe" auch auf die Anwesenheit von Tieren
bei der Geburt Christi schliefsen und „diesen
abstrakten Begriff durch konkrete Vertreter
desselben versinnlichen" mufsten. Im allge-
meinen enthalten doch die altchristlichen Bild-
hauereien keine Überschwenglichkeit und phan-
tasievolle Ausgestaltung der Gedanken, sondern
zeichnen sich durch einfache Auffassung und
nüchterne Darstellung aus. Ferner: wenn man
auch das Spiel der Phantasie zugeben wollte,
— wie kommt es denn, dafs auf allen alten
Weihnachtsbildern gerade ein Ochse und ein
Esel an die Krippe gestellt ist und nicht etwa
zwei Ochsen oder zwei Esel? Der Hinweis
auf die „Herberge" (Luc. 2, 7) vermag diese
stete Einheitlichkeit und Gleichartigkeit um so
weniger zu erklären, als Maria und Joseph doch
wohl ohne „Zugvieh" in Bethlehem angekom-
men waren. Übrigens spricht Lucas (2, 8)
auch von Hirten, welche in der Weihnachts-
nacht „Wache hielten bei ihrer Herde"; er
nennt also damit implicite gewisse Tiergattungen,
während er bei der „Herberge" überhaupt
nicht der Tiere gedenkt. Lag es da für die
alten Bildhauer nicht nahe, auch einmal Schafe
oder Ziegen an die Krippe ihres Erlösers zu
stellen?15} Wenn sie dieses jedoch nicht taten,
sondern ausnahmslos einen Ochsen und einen
Esel verwendeten, so mufs für gerade diese
Auswahl ein ganz besonderer Grund vorgelegen
haben. Dieser kann weder im Lucas-Evan-
gelium noch in der Phantasie der Bildhauer
noch in der Eigenart der Krippenszene ge-
funden werden, sondern mufs von anderswoher
genommen worden sein. Es kann aber da
unseres Erachtens nichts anderes in
Betracht kommen, alsdiefrüher zitier-
ten Prophetenstellen Isaias 1, 3 und
Habakuk 3, 2.

!*) Auf einigen alten Bildern erscheint ein Schafe
oder Ziegen weidender Hirte als besondere Gruppe;
vgl. Schmid a a. O. Kat.l. n. 25 (S. 17), 27 (S. 19),
29 (S 21) usw.

1») Schmid S. 74.

Wir glauben umso eher auf dieselben hin-
weisen zu dürfen, als dem Grunde, auf welchen
hin Schmid sie ablehnen zu müssen glaubte,
keine Beweiskraft zuerkannt werden kann.16)
Schmid meint nämlich, dafs nur dann eine
Einführung der beiden Tiere in die christ-
liche Kunst auf Grund der beiden Stellen
angenommen werden dürfe, wenn dargetan
sei, „dafs die theologische Literatur bereits
früher als die bildende Kunst, also vor 343,
| jene Prophetien über Ochs und Esel auf die
Geburt Christi bezogen" habe. Eine solche
Forderung ist aber durchaus unberechtigt.
Denn es leuchtet ein, dafs jene Stellen, auf
die Geburt des Erlösers bezogen, auch bereits
Einflufs ausüben konnten, noch ehe diese ihre
Deutung eine literarische Fixierung erhalten
hatte. Und so wird es wohl auch in Wirk-
lichkeit gewesen sein. Wenn sich also auch
kein literarisches Dokument mehr beibringen
lassen sollte,17) so dürfen wir uns doch zur
Annahme berechtigt halten, dafs die beiden
genannten Prophetenstellen die christliche Kunst
beeinflufsten, noch ehe die ihnen gegebene
und dem Künstler bekannte Deutung einen
schriftlichen Ausdruck gefunden hatte.

Zwar könnte man zur Annahme versucht
sein, daß die Kunst selbst die genannte Kom-
bination und Auslegung der beiden Propheten-
stellen fand und daß mithin eine Beeinflussung
von außen her gar nicht statthatte. Doch scheint
uns eine solche Ansicht sehr wenig berech-
tigt; denn eine Abhängigkeit der christ-
lichen Kunst von der christlichen Wissenschaft
und Literatur ist, wie in den weitaus meisten
Fällen so auch in dem unsrigen, schon a
priori höchstwahrscheinlich. Wann diese Be-
einflussung zum erstenmal erfolgte, ob bei
dem erwähnten Sarkophag-Fragment des Jahres
343 oder schon bei früheren, verloren ge-
gangenen Darstellungen, läßt sich bei der
Unzulänglichkeit des uns erhaltenen Materiales
natürlich nicht sagen.

Fulda. C. Lübeck.

n) Über den Wert von Orig. hom. XIII in Luc,
welche Isaias 1, 3 heranzieht, s. Kirchenlex. IX2. 1062.
Herzog-Hauck's Realencykl. VIII8. 46. Schmid
a. a. O. In der zweiten Hälfte des IV. Jahrh. ist die
Heranziehung von Isaias 1, 3 und Hab. 3, 2 schon
geläufig.
 
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