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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Beissel, Stephan: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf 1904, [4,b]: Gebetbuch des Fürsten zu Salm-Salm
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0046

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1905.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. ;{.

70

Die Trachten seiner Figuren sind ein-
fach. Nie erscheint Maria in glanzvollen Ge-
wändern oder gekrönt. Statt der koketten,
aus den feinsten Stoffen verfertigten, ausge-
randeten oder gewellten Kopfschleier anderer
Kölner Bilder finden wir schwere, über den Kopf
gelegte Manteltücher (Abb. 4, 5) und linnene
Kopfbedeckungen (Abb. 2). Ein einfacherer,
bürgerlicherer Zug geht durch das Ganze.

Wo werden die Gebetbücher von Anholt
und Darmstadt entstanden sein ? Die bis dahin
angegebenen Merkmale weisen hin auf Köln,
in Köln aber auf eine größere VVerkstätte.
Daß sie mehrere Leute beschäftigte, daß sie
längere Zeit bestanden haben muß, erhellt aus
den Verschiedenheiten der Miniaturen und
der Verzierungen beider Bücher, die sicher
nicht die einzigen Erzeugnisse derselben sind.
Herr Maler Cremer zu Düsseldorf besitzt in
seiner großen Sammlung mittelalterlicher Mi-
niaturen mehrere reich ornamentierte Blätter,
die sicher aus dieser Werkstatt hervorgingen.

Zwei weitere Umstände treten hinzu, um
auf die richtige Spur zu leiten. Einerseits sind
die Ornamente mit mehr Liebe und Talent
behandelt als die Miniaturen. Letztere weisen
nicht auf eigentliche Maler hin, sondern auf
dilettantisch geschulte Leute, die hier und dort
aus älterer und jüngerer Zeit, aus dieser oder
jener Gegend verwerten, was ihnen gerade
paßt. Sie machen als Eklektiker nicht nur in
Köln, sondern auch in den Niederlanden und
in Westfalen Anleihen. Zweitens ist die Schrift
enge verbunden mit den Miniaturen und mit
den Ornamenten. Alle Miniaturen unserer
Handschrift stehen in Initialen. Über und
unter ihnen haben die Miniatoren je zwei
Zeilen für den Text so ausgespart, daß sie auch
die Schreiber sein müssen.

In Köln passen alle diese Merkmale nur
auf die Insassen des Hauses zur heiligsten Drei-
faltigkeit und zum hl. Erzengel Michael im
Weidenbach. Seine Kanoniker gehörten zur
Familie der Fraterherrn, welche Gerhart Groot
von Deventer besonders auch in Münster und
Wesel eingeführt hatte. Um das Jahr 1417
kamen sie nach Köln; 1440 erwarben sie dort
das Haus im Weidenbach; 1449 wurde ihnen
ihr Besitz vom apostolischen Legaten für Deutsch-
land bestätigt. Im Jahre 1475 nahm Kaiser
Friedrich sie in seinen besondern Schutz, weil

sie so erbaulich lebten, ohne persönlichen
Besitz blieben, aber ihren Lebensunterhalt mit
ihrer Hände Arbeit verdienten und zwar in
Köln besonders durch Schreiben und Aus-
stattung von Handschriften. Sie waren so fleißig,
dnß in einer Sammlung der Hausgebräuche einer
niederrheinischen Kanonie gesagt wird, wenn
vorgelesen würde, sollten die Hörer, um keine
Zeit zu verlieren, die Linien ziehen, für die
später zu schreibenden Buchstaben. Mit dem
durch Bücherschreiben erworbenen Gelde er-
bauten sie sich zu Köln im Jahre 1490 eine
neue Kirche.11)

Für die Pfarrkirche der hl. Brigida zu Köln
schrieben sie 1504 ein „großes neues Gradual".
Noch im Jahre 1580 aber erneuerten sie für die-
selbe ein „altes Meßbuch" und schrieben sie auf
Pergament den ersten, den winterlichen Teil
eines neuen „Mißboich", das auch „Sankboich"
genannt wurde. Es war einGraduale. 1588 wurde
unter Leitung des „werdigen Herrn Heinrich
R. zu Weidenbach" der zweite Teil vollendet.
Beide Teile sind 1803 nach Groß Martin ge-
kommen, wo sie noch jetzt sich befinden.12)

Einstweilen mögen diese Notizen genügen,
um zu zeigen, daß in jener Kanonie fleißige
Schreiber und Miniatoren tätig waren. Als
eine ihrer frühesten Leistungen möchte ich das
Stundenbuch des Fürsten Salm ansehen. Einen
sichern Beweis für diese Ansicht bietet das
bis dahin Ausgeführte freilich noch nicht.
Durch weitere Erforschung der Wirksamkeit
der Weidenbacher Kanoniker wird dieser Be-
weis hoffentlich bald sich herstellen lassen.

Stephan Beissel S. J.

u) Gelenius, »De admiranda magnitudine Co-
loniae.« Coloniae (1645) p. 450 s. — Winheim
»Sacrarium Agrippinae« Coloniae (1736) p. 146 s. —
F. v. Mering und Reischert, »Die Bischöfe und
Erzbischöfe von Köln.« Köln (1844) II, 134 f. -
Serapeum, Zeitschrift für Bibliothekwissenschaft IV,
(1843)23; XXI (1860) 183f. Die Vorschriften der
Regular-Kleriker über das Anfertigen von Hand-
schriften — Grube, G. Groote 25 f. — „Die litera-
rische Tätigkeit der Windesheimer Kongregation",
»Katholik« N. F. XLV (1881) 42 f.

''-') Annalen des historischen Vereins für den
Niederrhein XLV, 123 und 135; L, 77; LXXI,
179. Herr Pfarrer Ditges teilt mir mit, daß zwei
große Chorbücher von St. Cunibert zu Köln durch
Inschriften als Arbeiten der Kanoniker in Weiden-
bach beurkundet sind. Sie stammen aus den Jahren
1533 und 1553.
 
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