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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Schnütgen, Alexander: Neuer Flügelaltar hochgotischer Stilart
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0064

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101

1905.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

102

Neuer Flügelaltar hochgotischer Stilart.

(Mit Abbildung.)

infach sollte, auch im Sinne der Or-
densvorschriften, der Hoch-, mithin
Sakramentsaltar für die in hochgoti-
schen Formen gebaute Kapelle der
Franziskanerinnen (St. Josephs-Kran-
kenhaus) in Kalk sein. — Die einfachste
Ausstattung verlangt erst recht kor-
rekte Zeichnung und sauberste Aus-
führung, also eine geschickte Hand.

Für den auf der Abbildung eingetragenen,
aus dem Achteck konstruierten, ganz schmuck-
losen Chor empfahl sich, ihn einigermaßen zu
füllen, die Form des Flügelaltares, und als
Füllung für die schlanke Blende hinter dem-
selben eine hoch aufsteigende Pyramide. — In
diesem Rahmen scheint die Aufgabe (von
E. Mengelberg in Brühl) sowohl hinsichtlich
der Silhouettenwirkung, wie der Einzelheiten
gut gelöst, so daß von einer kurzen Beschrei-
bung des Altars beachtenswerte Winke zu er-
warten sein dürften.

Die Altarstufen sind aus Eichenholz ge-
bildet mit parkettiertem Podium. Der Stein
der Mensa ist im Naturton belassen, also ohne
eigentliche Polychromie, entsprechend den
Ordensbestimmungen, die für sämtliche Kircben-
möbel stärkere Färbung und Vergoldung aus-
schließen (daher für Festtage den Altarschmuck
sehr erschweren, zugleich, bei dem kirchlichen
Verzierungsbedürfnisse der frommen Kloster-
frauen, nicht wenig gefährden). — Die Mensa
ist in französischem Kalkstein ausgeführt, die
obere Platte wie Sockel, bzw. Plinthe, in polier-
tem Granit. Die polierten grünen Serpentin-
säulchen nebst ihren Kalkstein-Kapitalen und
-Basen kontrastieren vortrefflich mit den po-
lierten Granittafeln, die das ornamentierte
Reliefkreuz des Stipes flankieren.

Der ganze aus Eichenholz gezimmerte und
geschnitzte Aufsatz setzt sich aus Retabel,
Flügelschrein und Pyramide zusammen, die sich
zu einem vortrefflichen Ensemble vereinigen.
Die Inschrift der niedrigen, durch das (feuer-
und diebessichere) Tabernakel unterbrochenen
Leuchterbank ist erhaben geschnitzt. Die
beiden Paneele über derselben sind mit reliefier-
tem Laubwerk verziert, worin ein Band mit
graviertem Spruch, daneben zwei Wappen-
schildchen mit der Jahreszahl A. D. 1904. Die

beiden (von Rosenthal) mit der Verkündigungs-
szene bemalten eisernen Tabernakeltürchen
werden von Pfeilerbündeln begrenzt, die sich
als Einfassung der Expositionsnische fortsetzen
und oben in Fialen endigen. Dieses aus dem
Achteck konstruierte Expositorium mit Maß-
werkfüllungen und Bekrönung, innerhalb deren
ein Pelikanmedaillon, ragt mit seinem schlan-
ken Wimperg in die Pyramide, die auf dem
Dach aus dem Rechteck, also mit vier Eck-
fialen sich aufbaut. Von ihnen leiten Strebe-
bögen zu der über Eck gestellten Laube über,
und in zierlicher, sehr schlanker Verjüngung
erreicht die Kreuzblume nahezu den Scheitel
der spitzbogigen Blende; eine höchst anmutige,
zugleich das Tabernakel und Expositorium
stark betonende Lösung. Das letztere flankieren
die beiden, ganz mäßig angetönten Hochrelief-
gruppen der Flucht nach Ägypten und der
hl. Familie bei der Arbeit, die. in reiche Maß-
werkumrahmung gestellt, in einem durch Fialen
unterbrochenen schweren Maßwerkfries mit
Kamm ihren malerischen Abschluß finden.
Als Flügel schließen sich an diese beiden
Gruppen die Grau in Grau gemalten, also in
bescheidenem Grisailleton gehaltenen Türen an,
die auf den Außenseiten St. Josephs Vermählung
und Tod, auf den Innenseiten die Geburt und
Tempelszene zeigen, so daß die Hauptbegeben-
heiten aus dem Leben des hl. Patrons zur
Darstellung gelangt sind. Bei geschlossenen
Türen gibt dem Schreine auf beiden Seiten
eine durchbrochene Maßwerkstrebe einen, die
Silhouette sehr vorteilhaft gestaltenden Ab-
schluß.

Bei der harmonischen Gesamtwirkung
dürfte die Angabe der Einzelmaße nicht über-
flüssig sein. Die unterste Stufe ist 410 cm,
die oberste 280 cm breit bei 110 em Tiefe;
die Altardeckplatte hat eine Breite von 260 cm
bei 120 cm Tiefe; die geschnitzten und ge-
malten Gruppen sind 65 cm breit, 70 cm hoch.
Bei geöffneten Türen beträgt die Breite 460 cm,
bei geschlossenen Türen 300 cm; die Höhe
des Altars vom Chorboden bis zur Spitze be-
läuft sich auf 8 m. — Bei sorgfältigster Aus-
führung, die durch den Verzicht auf Bemalung
erst recht gefordert wurde, haben die Kosten
nur 3580 Mk. betragen. Schnütgen.
 
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