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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Braun, Joseph: Ein Schweizer Kelch aus der Mitte des XVII. Jahrh.
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Moeller, Ernst von: Die Augenbinde der Justitia, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0067

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107

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

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des Fußes, ein Beweis, wie tief die gotischen
Traditionen Wurzel gefaßt hatten und wie zäh
die alten Gepflogenheiten sich trotz aller Gegen-
strömungen zu behaupten wußten. Allerdings
sind Beispiele, welche die Form der spätmittel-
alterlichen Kelche in allen Teilen so treu
widerspiegeln wie der vorliegende, schon im
Beginn des XVII. Jahrh. recht selten geworden.
Noch einige Worte über die Darstellungen,
mit denen der Kelch versehen ist. In den
Medaillons, welche die Mitte der Buckel des
Knaufes schmücken, finden sich das Lamm,
eine Weinranke mit Trauben, der seine Jungen
atzende Pelikan, der Wasserbrunnen und der
Fels, aus dem Wasser strömt, und die Kelter,
alles Symbole des hl. Sakramentes. Die trapez-
förmigen Flächen im oberen Teile des Fußes
enthalten Hinweise auf den Kreuzestod Christi,
das Monogramm der Namen Jesus, Maria und
Johannes, den Leibrock, den Hahn und ein
aus Fackel, Schwert und Knüttel bestehendes
Bündel. Den von diesen Symbolen nicht aus-
gefüllten Raum nimmt barockes Bandornament
ein. Die Medaillons, welche weiter unten auf
dem Trichter des Fußes angebracht sind, weisen
Engel auf, welche in beiden Händen Leidens-
werkzeuge tragen, Kreuz und Laterne, Geißel-
säule und Ruten, Lanze und Rohr, Leiter und

Nägel, Schüssel mit Kanne und Zange, Hammer
und Dornenkron. Die Zwickel der Fußplatte
zwischen den Blättern des Sechspasses enthalten
teils geflügelte Engelsköpfchen, teils die be-
kannten barocken Fruchtguirlanden. Die Engel-
figuren in den Medaillons des Fußes, eine ebenso
zarte wie edle Arbeit, sind getrieben, das übrige
Ornament ist meist nur ziseliert. Der Schaft
des Kelches, dessen Höhe zirka 24 cm beträgt,
ist ohne Verzierung geblieben, infolgedessen
die übrigen Ornamente um so wirkungsvoller
zur Geltung kommen.

Für Kelche gotischen Stiles kann der vor-
liegende Kelch, wenn wir von den reich aus-
gestalteten symbolischen Darstellungen absehen,
die auch auf einem gotischen Kelche sehr wohl
angebracht werden können, selbstredend nicht
als Muster bezeichnet werden. Soll dagegen
füi eine Renaissancekirche ein Kelch in einem
zu dieser passenden Stile beschafft werden,
so nehmen wir keinen Anstand, ihn für
einen solchen Fall als vorbildlich zu emp-
fehlen. Er zeichnet sich vor den gewöhn-
lichen schweren bauchigen Barockkelchen mit
ihrem Übermaß an Verzierungen durch ein
gutes Maß vornehmer Einfachheit und edler
Eleganz aus.

Luxemburg. J. Braun S.J.

Die Augenbin

as Wort „Recht" stammt zwar
I sprachlich nicht von dem Ausdruck
„Gerechtigkeit", wie der Kaiser
Justinian in den Anfangsworten der
Pandekten der Welt verkündet.1) Wohl aber
soll alles Recht, soweit es diesen Namen ver-
dient, dem frommen Wunsche der Juristen und
Laien nach, der Idee der Gerechtigkeit ent-
sprechen und von ihr Ursprung und Kraft
herleiten. Es ist darum eine Frage von Be-
deutung, unter welchem Bilde sich unser Volk
diese Idee versinnlicht. Und es ist darum
auch nicht gleichgültig, ob man unserer Göttin
Themis-Justitia die Augen verbindet oder nicht.
Wir werden zunächst von der Rolle sprechen,
die das Attribut der Augenbinde in der mo-
dernen Kunst spielt. Wir werden weiter fest-

l) L. 1 pr. D. de justitia et jure (I, 1): Ulpianus
libro I institutionum : Juri operam daturum prius nosse
oportet, unde nomen juris descendat. Est autem a
justitia appellatum.

de der Justitia.

stellen, aus welcher Zeit es stammt. Und wir
werden endlich nach den Ursachen fragen,
die zu seiner Verwendung den Anlaß gegeben
haben.

I.
In der bildenden Kunst wird heute die
Gerechtigkeit allenthalben mit verbundenen
Augen dargestellt. Gleich dem Schwert und
der Wage gehört die Binde zu ihren stehenden
Requisiten. Wohin wir sehen, überall die
gleiche Übung! Unsere modernen Justizpaläste
bieten auf Schritt und Tritt Belege. Oder
man nehme das Kaiser-Wilhelm-Denkmal in
Berlin! Oder man vergleiche die Zeichen der
juristischen Verlagsbuchhandlungen, z. B. an
der Spitze der Juristenzeitung. Im Bronze-
warenhandel ist die Justitia mit der Augen-
binde ein beliebter Artikel. Viele Juristen
stellen sie als Symbol ihrer Tätigkeit auf ihren
Schreibtisch. Sie gilt als passendstes Geschenk
für rechtskundige Jubelgreise. Unzählig sind
 
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