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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Schubring, Paul: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf 1904, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0079

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Abhandlungen.

Die kunsthistorische Ausstellung in

Düsseldorf 1904.

VI.

Die Himmelfahrt des heiligen Ludwig

von Lorenzo di Credi. (Kat.-Nr. 243b).

(Mit Abbildung, Taf. IV.)
fchon deshalb mußte das
Rundbild der Sammlung
Bourgeois, das eine alte
Florentiner Tradition als
eine „Himmelfahrt des
hl. Ludwig" bezeichnet,
^^^^^^^^^^^ das Interesse der Forscher
fesseln, weil die Darstellung sonst in der ita-
lienischen Kunst, meines Wissens, nicht vor-
kommt. Da auch die Legenda aurea nichts
von einer Himmelfahrt des französischen Hei-
ligen meldet, das Bild außerdem weder die
Lilie noch die Krone, noch sonstige Hinweise
auf San Luigi enthält, auch die Jugend des
Dargestellten eigentlich gegen diese Legende
spricht, so läßt sich nicht mit Bestimmtheit
sagen, was hier dargestellt ist. Dazu kommt,
daß diese ganz blond und hell gehaltene Tafel
als Bild merkwürdig leer erscheint. Man
kommt auf die Vermutung, daß hier ein plasti-
sches Vorbild zugrunde liegt.

Der Stil des Bildes weist nun ohne weiteres
auf die Art Verrocchios; und unter den Schü-
lern des großen Ateliers ist keiner, dessen
Eigenart so gut zu dem Tondo paßt als Lo-
renzo di Credi. Dieser, 1457 geborene, erst
1536 gestorbene Künstler, den man den Carlo
Dolci des Quattrocento genannt hat, verfügt über
eine in Florenz seltene Innigkeit und schwär-
merische Hingabe, die es wohl dein dreizehn
Jahre älteren Umbrer Perugino verdankt, welcher
in den achtziger Jahren des Quattrocento nach
Florenz kam. Ein enges Band hat ihn außer-
dem in der Jugend mit dem Ateliergenossen
Leonardo verbunden, mit dem er in den sieb-
ziger Jahren bei Verrocchio arbeitete. Für
empyräische Kompositionen hatte Verrocchio
in dem Grabmal des Kardinals Forteguerri in
Pistoia, das er leider nur zum Teil vollendet
hat, das unvergleichliche Muster gegeben. Wer
■die Engel unseres Tondo mit denen Verrocchios

in der Sammlung Thiers im Louvre, die Mo-
delle für Pistoia sind, oder auf der Forteguerri-
Skizze im South Kensington-Museum vergleicht,
wird vielfache Beziehungen finden. Nur, daß
bei Lorenzo das stürmische Gebahren seines
Meisters gedämpft nachzittert. Die Köpfe der
Engel und des jugendlichen Heiligen zeigen
den Einfluß Leonardos, von dem etwa die
wundervolle Verkündigung im Louvre zum
Vergleich genommen werden könnte. Der
Tondo dürfte um 1485-90 entstanden sein,
in jener glücklichen Zeit Lorenzos, die von
seiner späteren, manierierten, sich so stark
unterscheidet. Jedenfalls liegt die Tafel vor
der Zeit Savonarolas, dessen Bußruf auch
unsern Künstler aus seiner heiteren poeti-
schen Verträumtheit aufschreckte und zu her-
berer Art verpflichtete.

Der 1270 verstorbene französische Heilige,
der 1317 kanonisiert war und im Trecento
häufig dargestellt ist, war in Florenz eigentlich
erst durch Donatellos große Bronzestatue von
Or San Michele (um 1425 gegossen, heute an
der inneren Fassadenwand von Sa Croce) po-
pulär geworden. Lorenzo gibt im Gegensatz
zu Donatello nichts vom bischöflichen Ornat,
kein Pedum oder sonstige hierarchische Attri-
bute. Blutjung, nur in den weißen Mantel der
himmlischen Höhen halb gehüllt, steht der
Heilige betend vor uns. Während die Engel
schweben und herankommen, steht Ludwig
ruhig auf dem kleinen Wolkenkissen. Zu den
hellen Tönen der Mitte bilden die violetten
Farben der englischen Kleider und die braunen
Flügel einen zarten Gegensatz. Was auch
immer der Inhalt des Tondo sein mag, das
Bild führt uns die zarte Poesie jener glück-
lichen Tage vor Augen, die unter Lorenzo
magnifico nach dem schlimmen Tage der Pazzi-
Verschwörung anbrachen und sich in der Kunst
Leonardos, Peruginos, Benedetto da Maianos
und Lorenzos spiegeln. Möglich, daß eine
Patrizierfamilie das Bild bestellte, wo ein junger
Sohn Luigi allzufrüh vom Tode weggenommen
wurde, und die nun das Bild des Verklärten
in dieser Verklärung zu besitzen wünschte.
Berlin. Paul Schubring'.
 
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