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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Falke, Otto von: Meister Nicolaus von Verdun und der Dreikönigenschrein im Kölner Domschatz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0101

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1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

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stochenen Gruben eingesetzt sind. Dieses Zellen-
schmelzverfahren — oder genauer ausgedrückt, das
gemischte Verfahren — bringt notwendigerweise
die geometrischen Muster mit sich, bei welchen
die zu verzierende Fläche in Rauten, Quadrate,
Kreise zerlegt wird, die wiederum eine Füllung
aus Rosetten, streng linear stilisierten Blättchen
und dergleichen aufnehmen. Hier ist also an
einem 1181 vollendeten Werk genau die
Gattung Kupferschmelz, welche in Köln
um 1185 auftritt und welche am Dreikönigen-
schrein weitaus vorherrscht. Die Verwandt-
schaft ist nicht geringer, wenn man neben
der Technik auch die Ornamente unter-
sucht. Eine ganz beträchtliche Zahl der Muster
des Klosterneuburger Altars kehrt genau oder
nur wenig verändert am Domschrein wieder.
Solche an beiden Stellen verwendete Orna-
mentplatten sind abgebildet bei Drexler, Far-
bentafel 3 (der lange Randstreifen links mit
Rosetten aus seitlich gewendeten Blättchen
in Kreisen; es ist eines der beliebtesten
Muster am Domschrein); Tafel 10 (Rand-
streifen oben rechts); Tafel 50 (Randplatte
rechts unten). Daß derartige geometrische
Muster mit eingesetzten Rosetten und Blätt-
chen in vorwiegender Zellentechnik eine Eigen-
tümlichkeit der Schule von Verdun sind, aus
welcher Meister Nicolaus hervorgegangen ist,
bezeugt auch das erheblich jüngere Kreuzreli-
quiar der Matthiaskirche in Trier,17) dessen
Verfertiger sicherlich dieser Schule angehörte.
Die Schmelzplatten auf dem Rahmen dieses
Reliquiars sind, obwohl um 1220 entstanden,
noch fast identisch mit denjenigen in Kloster-
neuburg.

Auch das zweite Kennzeichen der neuen
Richtung, die ein fa rb ig blauen Schmelz-
Stücke mit vergoldeter Zeichnung,
meist mit schwungvollen spätromanischen Ran-
ken französischen Stils,18) die am Albinus-
schrein bereits in Mengen auftreten und die
wegen der außerordentlichen Schönheit der
Ornamentik eine der wertvollsten Zierden
des Domschreines bilden (vgl. »Melanges
d'Arche" ologie« I, T. 40—42), hat seinen Vor-
der Dreikönigenschrein bisher noch keine, auf Einzel-
aufnahmen beruhende Veröffentlichung erhalten. Nur
eine Reihe der blaugoldenen Schmelzplatten des
Schreines sind in den »Melanges d'Archeologie« I,
pl. 40 — 42 abgebildet.

17) »Deutsche Schmelzarbeiten«, T. 89.

;s) »Deutsche Schmelzarbeiten«, Farbentafel XX.

läufer in Klosterneuburg. Ein ganz charakte-
ristisches Beispiel, das man mit den Stücken vom
Albinusschrein (»Deutsche Schmelzarbeiten«,
Farbentafel XX) vergleichen möge, ist bei
Drexler auf Tafel 13 im oberen Rand abgebildet.
(Abb. 2.) Auch als Zwickelfüllung in sonst
mehrfarbigen Platten hat Meister Nicolaus die
vergoldeten Ranken auf Blaugrund verwertet
(Drexler, Tafel 13 links und Tafel 31 oben);
am Domschrein ist auch dieses Verfahren oft
wiederholt. Es ist zu beachten, daß die ein-
farbig blaue Gattung mit den ausgesparten
spätromanischen Ranken, Tieren, menschlichen
Köpfen und Figuren nur innerhalb der zwei
hier in Frage stehenden Denkmälergruppen an-
zutreffen ist; am Altar in Klosterneuburg und
noch mehr am Marienschrein in Tournai (Clo-
quet a. a. O., Tafel 11 u. 12) einerseits, an den
kölnischen Schreinen aus den letzten zwanzig
Jahren des XII. Jahrh. andrerseits. Außerdem
noch in gröberer Form am Aachener Karl-
schrein, der ja in dieser Hinsicht als un-
mittelbare Fortsetzung kölnischer Art zu be-
trachten ist.

Noch augenfälliger wird die engste Ver-
wandtschaft zwischen den Klosterneuburger
Schmelzwerken des Meisters Nicolaus und den-
jenigen der Kölner Schreine nach 1183, wenn
man statt der etwas unpersönlichen Cloisonne-
muster und der Ranken die viel individuelle-
ren, figürlichen Motive zum Vergleich heran-
zieht. Sowohl am Annoschrein in Siegburg
wie am Domschrein finden sich, teils einzeln,
teils in Reihen auf blaugoldenen Schmelzstreifen
geordnet, männliche Köpfe, die nach ihrer
Zeichnung und ihrer Technik den Köpfen auf
den Bildtafeln des Klosterneuburger Altares
so ähnlich sehen, als ob sie aus diesen heraus-
geschnitten wären. Ich führe ferner als evi-
dentes Beispiel einige Schmelzstreifen mit im
Dreiviertelprofil eigenartig stilisierten Löwen-
köpfen in Kreisfeldern an, die bei Drexler,
Tafel 40, 45 und 48 zu sehen sind. Zwei ganz
gleiche Streifen sind auch am Domschrein im
Mittelgiebel der Stirnseite angebracht, gerade
über den beiden Engeln, welche neben dem
thronenden Heiland stehen.

Die Zahl einzelner Übereinstimmungen wäre
leicht noch zu vermehren. Ich glaube aber,
die angeführten Analogien werden genügen,
um die Tatsache zu erweisen, daß der um
1183 einsetzende Stilwechsel in der kölnischen
 
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