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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Kisa, Anton Carel: Die gravierten Metallschüsseln des XII. und XIII. Jahrhunderts, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0131

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227

1905.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

228

Die gravierten Metallschüsseln des XII. und XIII. Jahrhunderts.

m Jahre 1903 wurde bei der Anlage
eines Kanales in einer Abfallgrube der
Elisabethstraße zu Aachen eine Metall-
schüssel gefunden, die sich bis auf ein-
zelne vom Roste zerfressene Stellen
ziemlich gut erhalten hat. (Abb. 1.) Sie
besteht aus Kupfer mit einem ganz ge-
ringen Zusätze von Zinn und war, nach
mehreren Spuren zu schließen, stark im
Feuer vergoldet.1) Bei der Auffindung von leicht
anhaftendem Schmutze gereinigt, strahlte sie
im schönsten rötlichen
Goldglanze, dunkelt
aber seitdem allmählich
nach. Die Form ist
rund ausgebaucht, am
Boden abgeplattet, je-
doch ohne Eintiefung
und Fußring und hat
einen schmalen wage-
recht ausgebogenen
Rand. Ihr Durchmes-
ser beträgt 0,275 m,
die Höhe 0,055 m. Die
unverzjerte Außenseite
zeigt namentlich am
Rande deutliche Spu-
ren der Treibtechnik
und der Abarbeitung
auf der Drehscheibe,
die Innenseite ist mit gravierten Figuren und
Ornamenten ausgestattet. DenBodenumrahmtein
Doppelkreis, von einem Zirkel mit leicht ritzen-
der Spitze gezogen; den Mittelpunkt bezeichnet
noch deutlich eine kleine nabeiförmige Ver-
tiefung. Innerhalb dieser Umrahmung ist eine
sitzende Frau dargestellt, etwa in Dreiviertel-
Figur, mit Krone und Schleiertuch auf dem
Haupte und einem die linke Körperhälfte ver-
hüllenden Mantel. Die winkelig gebogenen
Arme nach beiden Seiten gestreckt, hält sie zwei
runde Gegenstände, anscheinend Brode, in Hän-
den. Die Kniee sind weit ausgebreitet und
mit einem langen Unterkleide bedeckt. Die

(Mit 9 Abbildungen.)

Gravierung gibt die Umrisse in der Art einer
Federzeichnung wieder, ist mit dem Grabstichel
ausgeführt, viel schärfer und tiefer als die Kreis-
umrahmung, an manchen Stellen jedoch zit-
terig und unsicher. Besondere Schwierigkeiten
machten dem Graveur die Gesichtszüge und
Hände. Der Faltenwurf ist durch so regel-
mäßige Striche angedeutet, daß er fast für ein
Streifenmuster gelten könnte. An die mittlere
Darstellung schließen sich, diagonal gestellt,
in der Wölbung der Schüssel vier Brustbilder
an. Sie sind gleichfalls weiblich, je zwei ein-
ander zugewandt, da-
bei die beiden in der
Querachse im Profil
und mit Kronen der-
selben Art, wie die
der mittleren Gestalt
geschmückt, die Haare
durch parallele Strich-
lagen angedeutet und
im Nacken geknotet.
Das Oberkleid fällt in
einfachen senkrechten
Falten von den Schul-
tern hinab und läßt

ein breitgesäumtes
Unterkleid sehen. Die
Ausführung gleicht je-
ner der Mittelfigur. Die
Zwischenräume werden

Abb. 1.

*) Nach der Untersuchung des Hofgoldschmiedes
H. Steenaerts jr. in Aachen bestand die Vergoldung
aus Goldplättchen mit geringem Zusätze von Queck-
silber. — Die Schüssel ist in den Besitz des bekannten
Sammlers Dr. Paul Wangemann in Aachen über-
gegangen.

durch viermal wiederholtes Pflanzenornament
von merkwürdig steifen und ungeschickten
Formen gefüllt, welche an frühromanische
anklingen: Aus einem kurzen Stengel gehen
vier Blätter mit überfallenden Spitzen hervor,
zu zweien auf jeder Seite angeordnet; darüber
erheben sich auf dicken, schrägen Stielen sche-
matische mohnartige Blüten. In den durch
Stengel und Blätter gebildeten Zwickeln stehen
romanische Kapitalschriftzeichen, zu dreien oder
vieren in zwei Reihen, die von einer offenbar
des Schreibens unkundigen Hand nach einer
Vorlage kopiert sind und in willkürlichen Ab-
kürzungen die Namen von Tugenden und guten
Eigenschaften wiedergeben und zwar je drei in
jedem Ornament, also zwölf im ganzen. Sie
lauten:

yj ,., bemgnitas (. y mansuetudo

BO

IT

bonitas
 
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