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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Kisa, Anton Carel: Die gravierten Metallschüsseln des XII. und XIII. Jahrhunderts, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0133

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231

1905.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

232

Zugleich mit der Schüssel der Tugenden
wurde in Gent ein Gegenstück mit Figuren
und Namen von Sünden und schlechten Eigen-
schaften aufgefunden.4) Diese lauten: Malilia,
immundilia, ebrietas, crapula, /raus, emulatio,
contentio, ambitio, suspitio, odium, peccaiutn,
dolus, pigriiia, vana gloria, desperatio, tristitia,
dissensus, furor (Abb. 2). Beide Schüsseln bil-
den ein Paar und sind aus derselben Werk-
stätte hervorgegangen. Die Mittelfigur ist hier
bei ganz gleichem Typus ungekrönt, der Kopf
im Profil zu dem Brode geneigt, das sie in der
Rechten hält, während die Linke nach oben
weist. Die sechs Brustbilder im Umkreise sind
unbekleidet und tragen Spottkronen, wie die
armen Sünder auf dem
Wege zur Richtstätte.
Die Kronen erinnern
durchaus nicht an alt-
ägyptische Darstellun-
gen des Horus, wie
Bethune und mit ihm
andere meinen.

Ein Gegenstück zu
dem Aachener Funde
bildet eine Bronze-
schüssel des Prussia-
Museums in Königs-
berg, deren Gravierun-
gen gleichfalls auf Fi-
guren und Pflanzen-
ornament beschränkt
sind. Die Mittelfigur
ist ungekrönt, das un-
geschicktgestrichelte, im Nacken geknotete Haar
hat man für eine Art Turban gehalten. Neben ihr
liest man die Bezeichnung vera. Ringsum befin-
den sich gleichfalls ungekrönte Brustbilder und in
den Ornamentzwickeln die Namen von sechs
Todsünden, idolatria, invidia, luxuria, ira,
odium, dolus, außerdem peccaiutn, die drei,
letzten Worte viermal wiederholt. Das Stück
wurde auf dem Burgberge Prömbock im Kreise
Rastenburg gefunden.6)

4) Bethune a. a. O., S. 444 mit Abb.

6) Ich verdanke genauere briefliche Mitteilungen
über diesen Fund und ähnliche andere dem Kustoden
des Prussia-Museums, Herrn Heinrich Kemke. — Vergl.
die Beschreibung in den Sitzungsberichten der Alter-
tumsgesellschaft Prussia 1878/79, S. 134. Ferner
W. G rem p ler, »Die gravierten Bronzeschüsseln«
in Schlesiens Vorzeit, Zeitschrift des Vereins für das
Museum schlesischer Altertümer V, 1894, S. 271 f.,
mit 6 Tafdn. — Ders., »Niederlausitzer Mitteilungen«

Abb. 3

Auf zwei Schüsseln sind die Namen von
Tugenden und Sünden vereinigt. Die eine,
im Bayerischen Nationalmuseum zu München
befindlich, enthält im Schema einer vierblätt-
rigen Rose fünf weibliche Gestalten. Die
mittlere ist von einem doppelten Strickreif
umschlossen, die seitlichen, sowie die Zwickel-
ornamente nur von einem leichten Doppel-
bogen. Jene, als humiliias bezeichnet, hat Krone
und Kreisnimbus, diese Kopfschleier und
Nimbus und die Bezeichnungen fides, spes,
Caritas und patieniia. In den Zwickelorna-
menten liest man in sehr verwischten Zügen
zweimal odium-dolus, dann peccatum-dolus und
malitia-dolus. Am Rande sind mit der Perl-
punze kleine zwickel-
artige Verzierungen
hergestellt.0) Eine

Schüssel ähnlicher Art
wurde in Groningen
gefunden und ist im
dortigen Museum auf-
bewahrt. Die Kreis-
einteilung zeigt eine
fünf blättrige Rose (Ab-
bild. 3). Die mittlere
Gestalt, ohne Bei-
schrift, entspricht jener
der Aachener Schüs-
sel, nur ist der Kopf
nach rechts ins Profil
gewendet, ohne Schlei-
er oder Krone. In den
Händen hält sie zwei
runde Brode. Die Seitenfiguren sind barhaupt
und unbekleidet, die ungeschickte Strichelung
des Haares hat auch hier den Irrtum veranlaßt,
daß die Gestalten eine Kopfbinde trügen.7)

VI, S. 169 f., und »Arbeiten des X. archäologischen
Kongresses zu Riga« 1896. In diesen Aufsätzen
sind die bis dahin bekannt gewordenen Exemplare
gewissenhaft zusammengestellt. Vor Grempler hat
Th. Frimmel in den Mitteilungen des k. k. Oesterr.
Museums dies versucht. Zu einem bestimmten Er-
gebnisse über die Herkunft und den Zweck der
Schüsseln ist jedoch keiner von beiden gekommen.
Kurze Bemerkungen über die Königsberger Schüssel,
die er in einem Gipsabgüsse des Mainzer Museums
kennengelernt hat, macht Frimmel in den »Mitteil
der k. k. Zentralkommission« XII, S. 15 f., wo er über
die Samsonschüssel in Wiener Privatbesitz handelt.

6) Grempler, »Schlesiens Vorzeit« V, S. 271f. —
Bethune a. a. O., S. 449.

7) J. A. Feith, »Bonner Jahrb.« Heft 94 (1893),.
S. 143 f.
 
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