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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Kleinschmidt, Beda: Das Rationale zu Paderborn
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0138

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241

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

242

es palliumartigen Streifens eine rechteckige,
Jedenfalls metallische Verzierung. Dürfen wir
«» diesem Ornatstücke das Rationale erblicken ?
Diese Frage ist nicht nur für Paderborn von
Bedeutung, sie ist fast noch wichtiger, um die
Existenz unsrer Insignie auch in den Bistümern
Münster, Osnabrück und Minden zu beweisen.14)
ich gebe hier folgendes zu erwägen. Es ist
doch wohl wenig wahrscheinlich, daß in der-
selben Kirche eine Insignie unter zweifacher
Gestalt gebraucht wurde, daß also das stoffliche
und metallische Rationale gleichzeitig neben-
einander bestanden ha-
be. Hiergegen läßt sich
nicht auf die Kirche
von Aquileia verweisen,
in der das Rationale und
das Pallium gleich-
zeitig in Gebrauch waren
zufolge eines Privilegs
des Papstes Johannes
XIX. (f 1033) an den
Patriarchen Poppo,15)
denn hier sind es zwei
ganz verschiedene Insig-
nien, die wohl neben-
einander bestehen kön-
nen. Was es mir ferner
schwer macht, die agraf-
fenartigen Verzierungen
auf den Paderborner
Portalfiguren und den
westfälischen Siegeln
als Rationalien anzu-
sprechen, ist die Be-
obachtung, daß ähnliche
und teilweise ganz gleiche Ornatstücke auf
Abbildungen und an Statuen des XII. und
XIII. Jahrh. nicht nur bei geistlichen Würden-
trägern, sondern auch bei Laien zahlreich
auftreten. So sah ich in S. Stefano zu Verona
eine den Paderborner Monumenten etwa gleich-
altrige Marmorstatue des hl. Petrus, die den
Apostelfürsten in bischöflicher Kleidung dar-
stellt. Auf der Brust ist die Kasel mit einer
schönen, runden Agraffe besetzt, die dort eigent-
lich unmotiviert angebracht ist und nur deko-
rativem Zwecke dient. Namentlich zeigt eine
Anzahl Statuen im Dome zu Naumburg die
uns hier beschäftigende Agraffe als Brustver-

*%:

Abb. 2.

14) »Westfälische Siegel« Taf. 43—54.
l») Migne, P. L. CXLI, 1137.

zierung und zwar sowohl bei Männern wie
bei Frauen; es trägt sie z. B. Äbtissin Adelheid,
ebenso Religindis und Timo von Kistritz;16)
des letzteren Agraffe, um etwas anderes kann
es sich hier natürlich nicht handeln, gleicht
durchaus dem vermeintlichen Rationale der
Paderborner Bischofsstatue an der Westseite
des »Paradies«. Diese Beispiele ließen sich
leicht vermehren,17) wir fügen nur noch hinzu,
daß auch die literarischen Nachrichten solche
Brust-Agraffen wiederholt unter dem Namen
pect orale erwähnen; so spricht ein altes
Nekrologium zu Char-
tres von einem Pekto-
rale, das aus reinstem
Golde und aus kost-
baren Edelsteinen be-
stand.18) Fasse ich alle
diese Momente zusam-
men, so scheint es mir
mehr als zweifelhaft, daß
die fragliche Brustver-
zierung der Paderborner
Bischofsstatuen und Sie-
gel als ein Rationale an-
zusehen ist, ich möchte
sie vielmehr als ein Pek-
torale ansprechen. Dabei
bleibt natürlich bestehen,
daß das agraffenförmige
Rationale im XIII. Jahr-
hundert eine Zeitlang
in Paderborn in Ge-
brauch war; wie lange,
darüber geben die Monu-
mente keinen Aufschluß.
Das Schulterband-Rationale, wie ich die
zweite Form bezeichnen möchte, tritt uns auf
den Siegeln in dreifacher Gestalt entgegen
und zwar zunächst in der Gestalt des erz-
bisch öflichen Palliums. Es ist dies,
soweit die Siegel ein Urteil gestatten, die älteste
Form des Paderborner Rationale. So sehen
wir es auf dem Siegel des Bischofs Evergis
v. J. 1187 (ähnlich wie bei Bischof Ludolf,

16) Flottwell u. Schmarsow, »Meisterwerke
der deutschen Bildhauerei des Mittelalters« I (1892)
Taf. 2, 8, 11, 12.

17) Rohault de Fleury, -«La Messe« pl. 500
518, 546, 550, 604, 635. — Vergl. auch die Figur
des hl. Bartholomäus zu Laer (Kr. Steinfurt) bei
Savels, »Dom zu Münster« (1904) S. 20.

1") Ducange, Glossarium s. v. pectorale, wo
weitere Beispiele.

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