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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Vom Dom zu Bamberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0144

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253

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST - Nr. 8.

254

Wlr von Osten nach Westen ein langsames
Fortschreiten vom romanischen zum frühest-
gotischen Stil beobachten können. Der Ost-
chor zeigt Anklänge an die Dome des Rheins,
an den Westtürmen verspüren wir deutlich
wahrnehmbare Einflüsse von der Kathedrale
zu Laon. Wir haben hier an eine von den
verfügbaren Mitteln abhängige, längere Bau-
periode zu denken, die naturgemäß auch Wechsel
lr> der Einzelgestaltung zum Gefolge hatte.
Späterhin sind vielfach Änderungen am Dom
vorgenommen worden. Es ist hier namentlich
an die Entfernung des mittleren, die weitge-
dehnte Flucht des Langhausdaches einst so
schön belebenden Dachreiters, an die nüchterne
Umgestaltung der Turmhelme, wobei die Eck-
erker der Westtürme ihre charakteristischen Zelt-
dächer einbüßten, an die kalt wirkende Ein-
deckung des ganzen Baues mit Schiefer und
endlich, was das Innere anbelangt, an die im
Geist der damaligen Zeit liegende Purifizierung
auf einheitliche Stilart unter König Ludwig I.
zu erinnern, wobei zahlreiche mit dem Dom
und seiner Geschichte eng verwachsene Kunst-
denkmale, Altäre und Grabdenkmäler entfernt
wurden, so daß an Stelle einstigen Reichtums
öde Kahlheit trat. Daß sich auch bauliche
Schäden bemerkbar machen, nimmt bei dem
hohen Alter des Bauwerkes kein Wunder. Um
über den Zustand des Domes Klarheit zu er-
langen, wurde der bekannte Kirchenbaumeister
Joseph Schmitz, Restaurator an St. Sebald
in Nürnberg, damit beauftragt, ein Gutachten
auszuarbeiten. In demselben wurde auch eine
Inventarisierung des gesamten, auf den Dom
bezüglichen bau- und kunstgeschichtlichen
Materials als notwendige Vorarbeit hingestellt.
Schmitz ging hierbei von der grundsätzlichen
Voraussetzung aus, daß der an die Restaurierung
eines bedeutenden Kirchengebäudes heran-
tretende Architekt auf das genaueste mit dessen
Geschichte vertraut und über sämtliche an
demselben im Laufe der Jahrhunderte vor sich
gegangene größere wie kleinere Verände-
rungen unterrichtet sein müsse. Die Durch-
führung dieser Arbeit wurde auf seinen Vor-
schlag dem ersten Assistenten am Germanischen
Museum in Nürnberg, Dr. Fritz Traugott
Schulz, übertragen. Dieser faßte seine Auf-
gabe so auf, daß er sich jeglicher subjektiver
Ausführungen zu enthalten und das entschei-
dende Gewicht auf die rein objektive Dar-

stellung des in der Literatur, in Archivalien
und in bildlichen Darstellungen sich vorfinden-
den Quellenmaterials zu legen habe, es dem späte-
ren Restaurator am Bamberger Dom überlassend,
aus dem gesammelten Stoff im Einklang mit
dem jeweiligen Befund seine Schlüsse zu ziehen.
Diese umfangreiche, viel Aufwand von Mühe
und Zeit erfordernde Arbeit liegt nunmehr als
Manuskript abgeschlossen vor. Da sie sich auf
Grund der bei der so vortrefflichen, von den
Fachgenossen allgemein bewunderten Wiederher-
stellung der Sebalduskirche in Nürnberg ge-
sammelten Erfahrungen nicht auf den Dom und
seine Bauteile beschränkt, sondern sich auch
auf die Ausstattungsstücke, die Ausschmückung
und auf die den Dom umgebenden oder mit
ihm im Zusammenhang stehenden Teile aus-
gedehnt hat, so dürfte hier ein für die Bau-
und Kunstgeschichte des Bamberger Domes
wertvolles Material zusammengetragen sein.
Die äußere Anordnung des Stoffes geschah in
fünf Hauptabschnitten, deren Sonderabteilungen
wieder für sich je nach Maßgabe die drei Ru-
briken Literatur, Abbildungen und Verweise
auf gleichzeitige oder verwandte Bauten, Bau-
teile und sonstige Einzelheiten als Unterabtei-
lungen aufweisen. Das erste Kapitel befaßt
sich mit dem Dom im allgemeinen; das zweite
Kapitel wendet sich seinen einzelnen Teilen
zu; das dritte Kapitel beschäftigt sich mit seiner
Ausstattung und Ausschmückung; das vierte
Kapitel hat die Umgebung des Domes zum
Gegenstand; das Schlußkapitel bringt die An-
gaben und Hinweise mehr allgemeiner Natur.
Unseres Wissens ist bislang noch keine auf
die Restaurierung eines bedeutenden Bauwerks
hinzielende Arbeit von dieser Art und von
diesem Umfang in Angriff genommen worden.
Sicherlich aber ist sie angesichts der mannig-
fachen Fragen, welche im Verlaufe der Wieder-
herstellungsarbeiten aufzutreten pflegen, ein
äußerst willkommenes Hilfsmittel. Prinzipiell
kann daher nur lebhaft gewünscht werden, daß
jeglicher Restauration, sei sie nun eine durch-
greifende oder beziehe sie sich nur auf ein-
zelne Teile, eine solche auf historischer und
kunstgeschichtlicher Basis fußende und das
ältere Abbildungsmaterial berücksichtigende Vor-
arbeit vorausgehen möge. Hier reichen sich
Kunsthistoriker und Künstler die Hand — ge-
wiß nicht zum Schaden der guten Sache!
N. Seh.




 
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