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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Kisa, Anton Carel: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf 1904, [10]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0150

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263

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

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erfindung in der gräflich Harrach'schen Galerie
in Wien, die auch Scheibler als Engelbrechtsen
anerkennt, steht in der Sorgfalt der Zeichnung
und Technik auf gleicher Höhe, wenn auch
das Kolorit durch Aufnahme von Rot und
Rotgelb bunter geworden ist. Die Behandlung
ist fein und geschmackvoll, und von einigen
Kleinlichkeiten und Härten in der Landschaft
abgesehen, freier als in späteren Werken, etwa
im Kreuzigungsaltare des erzbischöflichen Mu-
seums in Utrecht. Noch härter und derber als
dieses ist die etwa aus dem Jahre 1525 stam-
mende Kreuzabnahme im städtischen Museum
zu Leiden. Denselben Gegenstand gibt in
kleinerem Maßstabe ein Bild im Suermondt-
Museum zu Aachen wieder, welches der alte
Katalog bereits dem Cornelis Engelbrechtsen
zuweist, allerdings mit Vorbehalt. Scheibler
erklärt es für ein sicheres Werk Engelbrechtsens
in der Art des älteren Triptychons zu Leiden,
Diilberg hält es nach dem bunten, reichen und
kräftigen Farben für jünger als dieses. Das
unbefangene Auge wird aber wohl kaum einen
bedeutenden stilistischen und zeitlichen Unter-
schied wahrnehmen. Christi Leichnam liegt
entkleidet mit erstarrten Gliedern am Boden.
Rechts im Vordergrunde kniet Josef von Ari-
mathia; überaus reiche Kleidung unterscheidet
ihn von Nikodemus, der ehrfurchtsvoll die
Dornenkrone trägt. In der Mitte des Bildes
sinkt die Mutter des Herrn ohnmächtig vor
Schmerz in die Arme des Apostels Johannes.
Zu Füßen des Heilandes kniet in reichem Ge-
wände Maria Magdalena, ihre Salbbüchse mit
beiden Händen bereit haltend. Mehr zurück
stehen weinend Maria Salome und Maria, des
Jakobus Mutter. Den Hintergrund der Szene
bildet das ansteigende Golgatha mit den drei
Kreuzen, links eröffnet sich eine Fernsicht auf
den Tempel und die Stadt Jerusalem. Nicht
nur die Malweise und der Typus der Köpfe,
auch der verwesende Leichnam, die Haltung
der Hauptfiguren und der Hintergrund stimmen
mit dem Mittelbilde des Leidener Triptychons
überein. Wenn man neben die Aachener Kreuz-
abnahme das Herodiasbild hält, kann man aller-
dings leicht zweifeln, ob den Meister, welchem
ein so feines, in den Farben sorgfältig abgewoge-
nes, vorzüglich modelliertes und elegant gezeich-

netes Bild gelungen ist, Schaffenskraft und
Geschmack ein anderes Mal so merklich
verlassen haben. Dafür ist der Kalvarienberg,
welchen Scheibler 1892 als Engelbrechtsen be-
stimmte und der damals in Köln an W. v. Seydlitz
verkauft wurde, wieder in einem feineren Stile
gehalten. Das Bild ging später in den Besitz
der Frau Prof. Bachofen-Burckhard in Basel
über und war in Düsseldorf unter Nr. 202 aus-
gestellt. Dülberg weist auf die Ähnlichkeit der
Komposition mit dem Mittelstücke des großen,
etwa von 1510 stammenden Kreuzigungsaltares
im städtischen Museum zu Leiden hin, doch
setzt er das Bild wegen der Weichheit der
Linienführung in den Körperformen der Scha-
cher, den freigeschwungenen Ranken an den
Harnischen und dem weichen, wolkigen Himmel
auf einige Jahre später an. In den Köpfen
gibt sich Engelbrechtsen hier, wie auch Scheibler
und Aldenhoven bemerken, seiner Neigung zum
Ältlichen und Häßlichen, an welcher auch die
Herodias leidet, mit vollem Behagen hin. Im
Kolorit ist trotz des warmen goldigen Tones
schon unruhige Buntheit zu bemerken. Näher
stehen dem Herodiasbilde wieder drei kleine
frühe Arbeiten, welche Max J. Friedländer als
Beispiele einer „kunstgewerblichen" Richtung
des Meisters bezeichnet, da sie sich durch be-
sondere Zierlichkeit im Ornamentalen zu er-
kennen geben: Ein Altärchen mit dem Kalva-
rienberge in der Mitte im Reichsmuseum zu
Amsterdam, eine Kreuzigung derselben Samm-
lung und ein Christus am Kreuze bei Geheim rat
Dr. v. Kaufmann in Berlin. Auch im Herodias-
bilde treten die kunstgewerblichen Neigungen
stark hervor, sie verlassen Engelbrechtsen auch
in seinen letzten Bildern nicht ganz. Die
Feinheit und Ausgeglichenheit seiner Arbeiten
nimmt mit den Jahren nicht zu, sondern ab,
nicht nur in der Technik und im Kolorit,
sondern auch in der Zeichnung. Durch Engel-
brechtsens Schaffen geht nur ein schwacher
gemeinsamer Zug, er ist voll von Widersprüchen
und nähert sich bald seinem Lehrer, Gerardus
Leydanus, bald seinem frühreifen Schüler.
Von jenem dürfte auch seine frühe „kunst-
gewerbliche" Richtung und mit ihr das
Herodiasbild beeinflußt sein.

Godesberg. Anton Kisa.
 
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