Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

DOI Artikel:
Rahtgens, Hugo: Eine alte Abbildung von Gr. St. Martin in Köln
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0186

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
331

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

332

ren, den Marienchor, und einen oberen, den
Peterschor, unter jedem eine Krypta; der erstere
inter duas turres campanarias ligneas. Das
Vorhandensein von zwei weiteren Türmen
neben dem Peterschor und von zwei Quer-
schiffen ist zwar in der Beschreibung nicht
unmittelbar gesagt, geht aber aus den weiteren
Angaben ziemlich unzweideutig hervor.

Der Zeichner der Miniatur wollte also in
der Tat ein ungefähres Bild des Kölner Doms
geben, und zwar wird man berechtigt sein, in
dem links sichtbaren Chor den Peterschor
zu erkennen, für dessen Altar das Buch be-
stimmt war.3)

Wenden wir uns jetzt wieder dem Widmungs-
blatt aus St. Martin zu. Berücksichtigt man die
um etwa 150 Jahre jüngere Entstehungszeit und
den Umstand, daß zwei Heilige dargestellt wer-
den mußten, so ist die Verwandtschaft mit der
Hillinusminiatur unverkennbar, und man darf
annehmen, daß dem Zeichner diese bekannt
war, wenn er sie nicht gar unmittelbar als Vor-
bild benutzte. An Stelle des Petrus mußten
aber hier die hhl. Martinus und Eliphius und
an Stelle des Domes die Martinskirche treten.

Zur richtigen Deutung der Miniatur müssen
hier einige baugeschichtliche Erörterungen ein-

3) Vöge (a. a. O. S. 341) hält den auf der
Abbildung sichtbaren Chor für den Marienchor,
da er übereinstimmend mit der Beschreibung zwischen
zwei Türmen liegt. Da aber der Beschreibung
nach, wie erwähnt, auch neben dem Peterschor
zwei Türme anzunehmen sind, so fällt dieser Grund
gegen die obige Annahme fort, wenn auch die Türme
der Beschreibung nicht mehr die der Abbildung des
Xl.Jahrh. sein werden, sondern vermutlich die, welche
Reinald von Dassel bei der Verschönerung des Doms
gelegentlich der Überführung der Gebeine der hl. drei
Könige (1164) errichten ließ. — Essenwein gibt
im »Handbuch d. Archit.« II. 3. Bd. 1. H. S. 135
nach der Abbildung im Hillinusevangeliar eine Re-
konstruktion des 873 vollendeten Hildeboldschen Doms
unter Fortlassung der beiden runden Flankierungs-
türme, weil diese -nachweislich im Xl.Jahrh. hinzu-
gefügt und aus Holz errichtet' wären. Zunächst
aber wurden nicht im XI., sondern, wie erwähnt,
im XII. Jahrh. zwei neue Türme durch den Erzbischof
Reinald von Dassel errichtet; daü dieses die in der
Beschreibung des XIII. Jahrh. erwähnten Holztürme
sind, ist kaum wahrscheinlich. Die runden Türme
der Abbildung deuten überdies auf Steinkonstruktion
und nicht auf Holz. Wird somit der Einwand Essen-
weins gegen die Türme hinfällig, so ist doch zu
berücksichtigen, daß der Baubestand des XI. Jahrh.,
also der der Miniatur, überhaupt nicht mehr dem des
IX. Jahrh. zu entsprechen brauchte, sondern wahr-
scheinlich aus einer Folge von Umbauten hervorge-
gangen war.

gefügt werden. Ohne bei dieser Gelegenheit
die frühere Baugeschichte von Gr. St. Martin
heranzuziehen — sie ist namentlich seit der
von Oppermann gemachten Entdeckung, daß
ihre bis dahin geschätzteste Quelle, die sog.
Kleine Chronik von St. Martin, eine Fälschung
ist, 4) eine recht dunkle — sei hier nur bemerkt,
daß die Kirche vermutlich im X. Jahrh. unter
dem Erzbischof Warinus (976—984)5) erneuert
wurde. Von diesem Bau wurde bisher meist ange-
nommen, er sei bei einem Stadtbrande i. J. 1149
bis auf Teile des Langhauses zerstört6) und
hierauf der heutige eigenartige Trikonchenchor
angefügt, auf den das überlieferte Weihejahr
11727) bezogen wird. Auch Hasak8) übernimmt
diese Angaben, obwohl er dem Brande nur die
Vernichtung der Holzteile und Dächer und des
einen der unter Anno II. ausgeführten Türme,
die er auf der Westseite annimmt, zuschieben
möchte. Nun ist aber ein unmittelbarer histo-
rischer Beleg für den Brand der Kirche im
genannten Jahr bisher überhaupt nicht bekannt.
Zum Jahr 1150 (nicht 1149) wird ganz allge-
mein berichtet:9) Ipso tempore in mense Maio
Coloniae pars aliqua civitatis exusta et dampna
inrecuperabilia facta sunt. Ferner wird im
Jahre 1157 der Abtei Gr. St. Martin ein auf
dem Boden der Abtei in deren nächster Nähe
(am Alten Markt) gelegenes Hospital geschenkt,
das bei erwähntem Stadtbrande zerstört und
von den Brüdern der Abtei wieder instand
gesetzt war.10) Die Verbindung dieser beiden
Quellen und der Umstand, daß zum Jahre 1172
eine Weihe berichtet wird, veranlassten zu der
Annahme eines Brandes der Kirche i. J. 1150,
worauf der heutige Chorbau ausgeführt und
1172 geweiht sei.

4) Westdeutsche Zeitschrift 1900, S. 271.

») Ennen, »Gesch. d. Stadt Köln«, I, S. 722. —
Kessel, »Antiquitates monasterii S. Martini mai.
Colon.« S. 98.

6) Ditges, »Gr. St. Martin in Köln«, S. 16. —
Ennen, »Gesch. d. Stadt Köln«, S. 723 u. a. O.

7) Catalogus abbatum (a. d. XVI. Jahrh.) Köln,
Hist. Archiv, Mscr. 185 fol. 3b. — Kessel, Anti-
quitates monasterii S. Martini maioris p. 98 gibt ohne
Quellenangabe folgende Inschrift wieder, die sich einst
im Chor befunden haben soll: Consecratum est hoc
Oratorium ao. 1172, Id. Maii.

8) Die Kirchen Gr. St. Martin und St. Aposteln
in Köln, in der »Baukunst« Heit 11, S. 11.

9) „Annal. Col. max." (Chronica regia) Recens. II,
in »Monum. Germ. SS.« 17 p. 763.

10) Ennen u. Eckertz, »Quellenz.Gesch. d.Stadt
Köln« I, S. 545.
 
Annotationen