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Zeitschrift für christliche Kunst — 27.1914

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Witte, Fritz: Talmi gegen Gold: Über schlechte u. echte Metallkunst im Dienste der Kirche
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https://doi.org/10.11588/diglit.4362#0022

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Nr. 1/2

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

11

wie am Kelch in Z.
Buchstäblich ! Nir-
gends, außer in der
kirchlichen Stoffwebe-
rei, ist die große Leih-
anstalt, die unsere
Urgroßväter anlegten,
skrupelloser ausge-
pumpt worden als in
der Herstellung kirch-
lichen Metallgerätes.
Gibt es noch einen
einzigen Papierkorb
eines Geistlichen, in
dem nicht schon ein
Katalog von Kirchen-
geräten gelegen hat ?
Odersollten sie gar auf-
bewahrt worden sein,
um im Bedarfsfalle
nach ihnen greifen zu
können? Mir selbst
wurde einmal von ei-
nem Goldschmiede ein
Kelch gezeigt als „sehr
gangbar", der bereits
mehr als 200mal an-
gefertigt worden war!
Habe ich recht mit dem, was ich über das Inventar der Kirchenschätze von 2114
sagte ? Wir sind hier ia in der glücklichen Lage, säuberliche sentimentale Rücksichten
hintansetzen und unverschleiert die Meinung sagen zu dürfen zum Besten einer
Sache, die ganz und gar Angelegenheit der Ehre der katholischen Kirche ist. Auch
heute wird wieder in Massen gegossen und gelötet, aber nicht eimal mehr gefeilt.
Der Dorfklempner nimmt sich den Katalog des Großhändlers und bestellt etwa
50 Nummern von Fialen, Knäufen, Schaftstücken, Bestien, die als Wasserspeier an
den Monstranzen zuarbeiten haben usf., usf.; er bekommt alles in zwei Exemplaren,
schneidet jedes einzelne Stück aus der Platte heraus, lötet es, wie die Kinder vor
Weihnachten nach dem bunten Bilderbogen es mit dem Krippchen machen, hübsch
sauber zusammen, und er hat eine Monstranz, einen Kelch, ein Ziborium „roma-
nischen" oder „gotischen" Stiles! Horribile dictu! Oder irgendein gratis ins
Pfarrhaus geschicktes Korrespondenzblatt bringt Monat um Monat, Jahr um Jahr
eine Annonce, nach der ein Goldschmied immer wieder zu einem „Spottpreise"
dem hochw. Klerus eine Monstranz anbietet, die aus irgendeinem Grunde an den
Besteller nicht abgeliefert werden konnte und nur darum zum „Herstellungspreise"
angeboten werden kann!1) Sollte denn ein geriebener Geschäftsmann wohl eine
solche Anpreisung jahrein, jahraus für schweres Geld immer wieder drucken lassen,

Abb. 10.

Reliquienbüste aus Silber getrieben. XV. Jahrh.

) Beweismaterial kann der Verfasser zur Verfügung stellen.
 
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