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Zeitschrift für christliche Kunst — 27.1914

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Creutz, Max: Beiträge und Studien zur niederrheinischen Plastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4362#0139

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Nr. 8/9.__________ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.___________123

BEITRÄGE UND STUDIEN
ZUR NIEDERRHEINISCHEN PLASTIK.

Mit Tafel VII und 5 Abbildungen.

Neben den großen Altarwerken des ausgehenden Mittelalters und der Früh-
renaissance am Niederrhein, ihren zahlreichen Gruppen mit vielen kleinen
Figuren ist die Einzelplastik weniger berücksichtigt worden. Verstreut an
wenig zugänglichen kleinen Orten trat sie hinter jenen großen Glanzwerken zurück,
und es bedarf hier noch der Einzeluntersuchung und Sichtung, um dem umfang-
reichen Material gerecht zu werden. Vor allem müßten aus den gleichgültigen
Arbeiten die wertvollen herausgeholt werden und zu diesem Zwecke eine inventar-
mäßige Bearbeitung vorangehen. Die Preisaufgabe der Mevissen-Stiftung über
,,die niederrheinische Plastik" hat zwei Bearbeitungen dieses Gebietes veranlaßt,
die bisher nicht erschienen sind. Es hat den Anschein, wie wenn eine derartige
Arbeit die Kräfte eines einzelnen übersteigt und nur mit Hilfe eines umfangreichen
Apparates, wie etwa der Denkmalpflege oder eines ähnlichen Institutes, erfolgen
kann. Dazu kommt, daß am Niederrhein wichtige Werke in größerer Zahl zerstreut
wurden und nur zufällig wieder auftauchen. Alle Arbeiten über niederrheinische
Plastik sind daher vorerst nur als Studien oder Beiträge anzusehen. Zu den Ar-
beiten, die in den letzten Jahren auftauchten und Aufschluß über eine wichtige
Schule zu geben geeignet scheinen, gehört eine große Eichenholzgruppe der Ver-
kündigung, die vor einigen Jahren am Niederrhein zum Vorschein kam (Taf.VII).
Vor einer gotischen Chorbank mit vier Maßwerkbögen kniet zur Rechten die Ma-
donna, die Hände über der Brust gekreuzt, vor einem kleinen Lesepult mit Buch. Ihr
Kopf ist zum Engel geneigt, der rückwärts kniet und mit leicht erhobenen Armen
(rechte Hand ergänzt) zur Madonna spricht. Der Engel trägt reich gelocktes Haar
und mit besonderer Sorgfalt durchgearbeitete große Flügel. Die Gestalten sind
schmächtig und verschwinden unter den stark gefältelten Gewändern. Die ganze
Darstellung zeigt eine auffallende Vorliebe für dekorative Einzelheiten, die offenbar
dem malerischen Gesamtcharakter der Gruppe entsprechen sollen. Schon der ein-
heitliche Hintergrund der Vertäfelung, die Wiedergabe und Andeutung des Rau-
mes im Fußboden, der Abschrägung der Chorbank, dem schräggestellten, die
Szene nach rechts abschließenden Lesepult deuten den bildartigen Charakter der
Gruppe an. Die Bildnerei wird von der Malerei beherrscht, wobei nicht die Ent-
wicklung aus dem Relief zur vollrunden Plastik entscheidend ist, sondern wie in der
Malerei die räumliche Ausgestaltung von einer ideellen vorderen Bildfläche zum
Hintergrunde hin. Daher wäre die Annahme, zwischen den Gestalten lebe der
wirkliche Raum, er allein schaffe das Körper und Gegenstand verbindende Band,
das Mittel, die Einzelmenschen als Gruppe, als handelnd aufzufassen, bedenklich.
Wie in der bildmäßigen Auffassung lebt auch in dieser Bildplastik ein ideeller Raum-
gedanke innerhalb eines'abschheßenden Rahmens, der auch bei dieser Gruppe im
Aufbau eines größeren Altarwerkes bestanden hat. Der Luftraum, der in diesem
größeren Altarwerk naturgemäß in der plastischen Gruppenbildung und ihren
vielen Einzelheiten lebt, ist ein durchaus mystischideeller, er darf nie mit dem realen
Luftraum verwechselt werden. Starke Beziehungen bestehen bei dieser Gruppe
auch sonst zur zeitgenössischen Malerei. Die Darstellung erinnert vielfach an Werke
 
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