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Zeitschrift für christliche Kunst — 27.1914

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122

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. 7.

bei Pavia fanden sie die Mittelpunkte ihrer
Schreib- und Malschulen. Eine ausgesprochen
dekorative kunstgewerbliche Begabung führte
die Iren zu den reichen Flecht- und Schling-
mustern ihrer Zierkunst. Anders die Angel-
sachsen, die für orientalischen Einfluß wesent-
lich aufnahmebereiter waren. Das Bene-
diktionale des Bischofs Aethelwold von
Winchester enthält sorgsame Kopien byzan-
tinischer Miniaturen. Wie hier war es in
ganz Westeuropa: die Bücher aus dem Orient
wurden über die Maßen geschätzt wie der
Ashburnham-Pentateuch und der Utrecht-
Psalter deutlich beweisen.

Zwischen die volkstümlich syrische Kunst
vom Berge Athos und die nordische Zierkunst
schiebt sich wuchtig die karolingische Hof-
kunst ein, ein prunkvoller Mischstil, der
seine Formen der irischen, der griechischen,
der byzantinischen Auffassung entlehnte. Doch
bricht sich der rein orientalische Stil unter
Karls Nachfolgern sofort wieder Bahn: so
in den Handschriften der Ada-Gruppe.
Da in St. Gallen die irische Überlieferung
ein feines dekoratives Gefühl wachgehalten
hatte, werden hier die reifsten Werke geschaf-
fen: der „Goldene Psalter" von St. Gallen,
der mehr vorwärts in die nordische Kunst
als rückwärts in den Orient gerichtet ist.
Das Erstarken der klösterlichen Kultur
brachte den Aufschwung. Daher die Vor-
machtstellung Süddeutschlands. Neben St.
Gallen tritt jetzt in der ottonischen Zeit
Reichenau, wo der Egbert-Kodex und das
Evangelien buch Ottos III. entstanden. Der
Egbert-Kodex bedeutet in der Tat den An-
bruch einer neuen Zeit. Innerlich trennt
ihn eine weite Kluft von allem Karolingischen:
ein neuer Sinn für Maß und Ordnung, für
Knappheit des Ausdrucks, für Herausheben,
des Wesentlichen innerhalb der Handlung.
Das Evangeliar Ottos III., das reifste Werk
der Reichenauer Schule und zugleich der
mittelalterlichen Buchmalerei überhaupt, zeigt
zum ersten Male das Dramatische in einer
Spannung von gewaltiger Ausdruckskraft. Der
Einfluß Reichenaus wirkte über Süddeutsch-
land hinaus bis nach Sachsen. — Hieber hat
es verstanden, die großen Züge der Entwick-
lungsgeschichte aufzudecken, die mit ihren
Wurzeln einmal in die antik-römisch-gnechi-
sche Auffassung, zum andern in die syrisch-
armenisch-byzantinischen Gestaltungsweisen
des Orientes hinabreichen. Wie früher ein-
seitig die römisch-hellenistische Grundlage

als einzig maßgebend für die Kunst des
Mittelalters aufgefaßt wurde, so wird hier
die orientalische Formgesinnung. Wie die
Antike in Byzanz mit zäher Ausdauer ihre
Lebenskraft behielt, so hat sie auch über
Byzanz hinaus ihren Einfluß geltend gemacht.
Wenn es auch begreiflich erscheint, daß die
allein auf den Forschungen Strzygowskis
fußende Richtung über das Ziel hinausschießt,
so bleibt als Ergebnis von wesentlicher Be-
deutung die eine Tatsache immer bestehen:
die grundlegende Einwirkung orientalischer
Formen auf die christliche Kunst des Mittel-
alters.

Die Ausstattung des Werkes mit 80 Abbil-
dungen reiht sich der der übrigen Veröffent-
lichungen des Verlags würdig an. So weit es
die Schwarz-Weiß-Technik überhaupt zuläßt,
geben die Abbildungen reichliche Möglichkeit,
sich ein eigenes Urteil zu bilden. Lüthgen.
Bramanteund Raffael. Ein Beitrag

zur Geschichte der Renaissance in Rom.

Von Julius Vogel. Mit 6 Tafeln.

(114 S.) Leipzig, Klinkhardt u. Biermann,

1910. Preis M. 5.—, geb. M. 6.50.

Aus dem ersten Fünftel des 16. Jahr-
hunderts ist eine anonyme Denkschrift an
einen nicht näher bezeichneten Papst auf uns
gekommen, die den traurigen Zustand der
schonungslos ausgebeuteten Altertümer der
ewigen Stadt beklagt und durchgreifende
Maßnahmen zu deren Schutze empfiehlt.
Man hat dieses unter mehr als einem Ge-
sichtspunkte interessante Dokument bisher
ziemlich allgemein Raffael zugeschrieben.
Vogel bemüht sich in vorliegender Studie,
den Nachweis zu erbringen, daß es als eine
Arbeit Bramantes anzusprechen sei, und es
muß zugestanden werden, daß es ihm ge-
lungen ist, seiner These einen hohen Grad
von Wahrscheinlichkeit zu sichern. Volle
Gewißheit ist bei dem gänzlichen Mangel
gleichzeitiger äußerer Zeugnisse natürlich
nicht zu gewinnen. Fast mehr noch als das
eigentliche Beweisthema des Buches wird die
meisten Leser der von V. einwandfrei ge-
führte Nachweis interessieren, daß die land-
läufige Ansicht, wonach Raffael 1515 durch
Leo X. zum Konservator der römischen Alter-
tümer ernannt worden wäre, jeder Begrün-
dung entbehrt. Auch was der Verf. zur Ent-
lastung Bramantes von der Beschuldigung
des Vandahsmus gegen die Monumente des
Altertums geltend macht, verdient aufmerk-
same Beachtung. Lauscher,
 
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