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Zeitschrift für christliche Kunst — 27.1914

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Bombe, Walter: Werke alter Holzschnitzkunst in Peruginer Kirchen u. Zunfthäusern
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https://doi.org/10.11588/diglit.4362#0104

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Nr. 6.____________ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.___________89

WERKE ALTER HOLZSCHNITZKUNST

IN PERUGINER KIRCHEN U. ZUNFTHÄUSERN.

(Mit 4 Abbildungen.)

Es ist eine zum Nachdenken anregende Tatsache, daß die Peruginer, die auf
dem Gebiete der Malerei so hervorragende Leistungen aufweisen, sich nur
in geringem Umfange auf dem Arbeitsfelde der Bildhauerkunst betätigt
haben, und es ist keineswegs als ein Zufall anzusehen, daß gerade die bedeutend-
sten Schöpfungen dieses Kunstzweiges in Perugia, die Fontana Maggiore, das
Grabmal Papst Benedikts XI. in S. Domenico und die Fassade des Oratorio di
S. Bernardino von Pisaner, Sieneser und Florentiner Künstlern geschaffen worden
sind. Vielleicht darf die Ursache dieses Mangels an monumentalen einheimischen
Denkmälern der Bildhauerkunst in dem Fehlen eines für Großskulptur ge-
eigneten Steinmateriales in den umbrischen Bergen gesucht werden. Der marmor-
ähnliche Kalkstein, den die Steinbrüche des Monte Subasio in der Nähe von
Assisi lieferten, und die grobkörnige Pietra paesana in der Umgegend Perugias
eigneten sich wohl für Portalschmuck, für Altäre, Kanzeln und andere Arbeiten
dekorativen Charakters, aber nicht für statuarische Skulptur. Dagegen brachten
die einst reich bewaldeten umbrischen Berge ein vorzügliches Holzmaterial her-
vor, das für Schnitzarbeiten verschiedenster Art und für Intarsia geeignet war
und auch vielfach Verwendung fand.

Die Holzschnitzer waren in Perugia mit den Steinmetzen zu einer hoch an-
gesehenen und einflußreichen Korporation vereinigt, deren Statuten und Stamm-
rollen noch heute in der Stadtbibliothek erhalten sind. Es ist in hohem Grade
wahrscheinlich, daß die Steinmetzen gelegentlich als Holzschnitzer tätig gewesen
sind, und umgekehrt. Von verschiedenen Holzschnitzern steht es urkundlich fest,
daß sie auch dekorative Bildhauerarbeiten in Stein lieferten, und der eigenartige
Charakter dieser Steinskulpturen Perugias läßt darauf schließen, daß ihre Schöpfer
daran gewöhnt waren, Holz zu bearbeiten l.

Das älteste noch erhaltene Denkmal der Peruginer Holzschnitzerei ist die
zierliche und reiche Ausschmückung des Audienzsaales der Mercanzia, der
Zunft der Kaufleute. Der Saal wurde der Zunft schon 1390 vom Magistrat über-
lassen, und 1403 wird er bereits in einer Urkunde als „solita audientia" bezeichnet.
In der Zwischenzeit wird die Wand- und Deckenverkleidung des Raumes entstanden
sein. (Abb. 1.) Schnitzarbeit und Intarsia von meist geometrischer Musterung, in
sorgfältigster Weise ausgeführt, überziehen die gewölbte Decke und die Wände,
in der Weise, daß an den Wänden Vierpässe und an den Lunetten und der Wöl-
bung Rhomben sich aneinander reihen. Besonders reich ist die Rücklehne der
Richterbank geschmückt. Auf einen breiten Fries von Vierpässen und Kreisen

1 Die Urkunden über die im vorhergehenden und im folgenden erwähnten Holzschnitzer
Perugias und ihre Werke sind von Adamo Rossi unter dem Titel: „Maestri e lavon di legname
in Perugia nei secoli XV e XVI" im „Giornale di Erudizione Artistica" Perugia 1872 ver-
öffentlicht worden. Eine Nachlese bietet Giustino Cnstofani in „Per la Stona dell'arte del
legname neH'Umbria", in „AugustaPerusia", 1908, Heft 1—5. DieErgebnisse der Forschungen
Cristofanis, die zum Teil in nicht zur Ausgabe gelangten Heften der Zeitschrift „Augusta
Perusia" niedergelegt sind, weiteren Kreisen bekannt zu geben, ist der Zweck dieser Zeilen.
 
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