Nr. 4. ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
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Blättern und Zweigen der fnschgrünen Laubbäume spielt. — All' dies ist er-
reicht durch die Kraft der rein künstlerisch erlebten Form, die sich wieder frei
zu machen wußte von jeglichem literarischen und symbolischen Beiwerk, und
sich rein auf Formschönheit, liebevolle Menschlichkeit, Persönlichkeitswerte und
innere Kultur stützt. — So können wir nun wieder gerne zu den Stätten der
Toten wallen, uns wieder stärken und erbauen an der heiligen Schönheit
künstlerischer Kräfte, die plötzlich neu und lebensstark aufgestiegen sind aus
dem alten, heiligen Boden, daß die greisen, knorrigen Bäume sich verwunderte
Worte zuraunen. Rudolf Pantle, Stuttgart.
DAS ANGEBLICHE BILD OTTOS II.
AUF EINEM RELIQUIENSCHREIN ZU ESSEN.
Im Jahre 1794 wurde aus Furcht vor dem Einfall der Franzosen der Reli-
quienschrein des h. Marsus und der h. Lugtrudis in der Stiftskirche zu Essen
zerstört und damit wohl das bedeutendste Werk der dortigen Goldschmiede-
werkstatt für immer vernichtet. Alte Abbildungen des Schreines sind bisher
nicht bekannt geworden, aber die darauf befindlichen Inschriften sind uns durch
Bucelinus, Germania sacra II (1662) 143 und durch Gelenius, Colonia Supplex
(1639) 49 überliefert. Sie sind in neuerer Zeit wiederholt publiziert1 und von
F. Bock2 und Humann! ausführlich besprochen worden. Aus den lateinischen
Inschriften können wir trotz der abweichenden Lesarten entnehmen, daß der
Schrein unter der Äbtissin Mathilde (gest. 1011) begonnen und unter Theophanu
(1039—1056) vollendet wurde. Diese war die Enkelin Ottos II., jene die Enkelin
Ottos I., kein Wunder also, wenn am Schluß der Inschrift der Seele eines Otto
gedacht wird, für deren Heil wohl Mathilde den Schrein zu stiften gelobt hatte.
Besonderes Interesse nimmt eine Giebelseite des Schreines in Anspruch,
auf der das Bild eines Kaisers dargestellt war, das in den Quellen nicht ab-
gebildet, sondern nur als „Effigies Ottonis II imperatoris" bezeichnet wird.
Links und rechts von diesem Kaiserbilde stand eine dunkle griechische In-
schrift, die wir nach Gelenius wiedergeben:
1
T
AY
miA
TO
EN
KPA
XP.
TOP
77/702
PilM
KA2
AIQN
IA
E. 0.
Gelenius übersetzt sie folgendermaßen:
Una in Christo
Imperator Romanorum
firma germamtas
glonosus Otto
wobei er sehr willkürlich die
beiden
letzten
Buchstaben E. 0. zu svdogog "Ozzta
1 Clemen, Die Kunstdenkmäler von Essen (1893) S. 53 u. 54. — F. X. Kraus,
Die christlichen Inschriften der Rheinlande II (1894) S. 296 Nr. 645.
2 Die byzantinischen Zellenschmelze der Sammlung Swenigorodskoi (1896) S. 151 —156.
3 Die Kunstwerke der Münsterkirche zu Essen (1904) S. 9—15.
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Blättern und Zweigen der fnschgrünen Laubbäume spielt. — All' dies ist er-
reicht durch die Kraft der rein künstlerisch erlebten Form, die sich wieder frei
zu machen wußte von jeglichem literarischen und symbolischen Beiwerk, und
sich rein auf Formschönheit, liebevolle Menschlichkeit, Persönlichkeitswerte und
innere Kultur stützt. — So können wir nun wieder gerne zu den Stätten der
Toten wallen, uns wieder stärken und erbauen an der heiligen Schönheit
künstlerischer Kräfte, die plötzlich neu und lebensstark aufgestiegen sind aus
dem alten, heiligen Boden, daß die greisen, knorrigen Bäume sich verwunderte
Worte zuraunen. Rudolf Pantle, Stuttgart.
DAS ANGEBLICHE BILD OTTOS II.
AUF EINEM RELIQUIENSCHREIN ZU ESSEN.
Im Jahre 1794 wurde aus Furcht vor dem Einfall der Franzosen der Reli-
quienschrein des h. Marsus und der h. Lugtrudis in der Stiftskirche zu Essen
zerstört und damit wohl das bedeutendste Werk der dortigen Goldschmiede-
werkstatt für immer vernichtet. Alte Abbildungen des Schreines sind bisher
nicht bekannt geworden, aber die darauf befindlichen Inschriften sind uns durch
Bucelinus, Germania sacra II (1662) 143 und durch Gelenius, Colonia Supplex
(1639) 49 überliefert. Sie sind in neuerer Zeit wiederholt publiziert1 und von
F. Bock2 und Humann! ausführlich besprochen worden. Aus den lateinischen
Inschriften können wir trotz der abweichenden Lesarten entnehmen, daß der
Schrein unter der Äbtissin Mathilde (gest. 1011) begonnen und unter Theophanu
(1039—1056) vollendet wurde. Diese war die Enkelin Ottos II., jene die Enkelin
Ottos I., kein Wunder also, wenn am Schluß der Inschrift der Seele eines Otto
gedacht wird, für deren Heil wohl Mathilde den Schrein zu stiften gelobt hatte.
Besonderes Interesse nimmt eine Giebelseite des Schreines in Anspruch,
auf der das Bild eines Kaisers dargestellt war, das in den Quellen nicht ab-
gebildet, sondern nur als „Effigies Ottonis II imperatoris" bezeichnet wird.
Links und rechts von diesem Kaiserbilde stand eine dunkle griechische In-
schrift, die wir nach Gelenius wiedergeben:
1
T
AY
miA
TO
EN
KPA
XP.
TOP
77/702
PilM
KA2
AIQN
IA
E. 0.
Gelenius übersetzt sie folgendermaßen:
Una in Christo
Imperator Romanorum
firma germamtas
glonosus Otto
wobei er sehr willkürlich die
beiden
letzten
Buchstaben E. 0. zu svdogog "Ozzta
1 Clemen, Die Kunstdenkmäler von Essen (1893) S. 53 u. 54. — F. X. Kraus,
Die christlichen Inschriften der Rheinlande II (1894) S. 296 Nr. 645.
2 Die byzantinischen Zellenschmelze der Sammlung Swenigorodskoi (1896) S. 151 —156.
3 Die Kunstwerke der Münsterkirche zu Essen (1904) S. 9—15.