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Zeitschrift für christliche Kunst — 27.1914

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Witte, Fritz: Talmi gegen Gold: Über schlechte u. echte Metallkunst im Dienste der Kirche
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https://doi.org/10.11588/diglit.4362#0030

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18

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. 1/2.

Abb. 20.

Weihkessel mit Wedel, v. Mayrhofer, München.

erdrückende Last nicht bloß überflüssigen, sondern lästigen Scheinschmuckes mit
und denken nicht daran, wie unwahr, wie gefühllos und häßlich er ist. Das Pomp-
hafte und Renommistische herrscht hier noch immer. Der Primiziant will einen
Pontifikalkelch, der Landpfarrer eine drei Fuß hohe Turmmonstranz von zehn
Pfund Gewicht. Unwahrheit und Schein! Man baut Altäre und überlastet sie in
gleicher Weise mit einem hundertfältig zusammengehehenen Schmuck; das Resultat
ist ein Zwitterding, das ebensogut aus vergoldeter Papiermasse hergestellt werden
könnte. Unwahrheit und Schein! Man gibt dem Priester am Altare aus Silber
gefertigte Kännchen in die Hand, die in ihrer minutiösen Gestaltung und pimpe-
ligen Durchbildung in eine Puppenstube oder gar als Uhranhänger paßten, nur
nicht zum praktischen Gebrauch. Unwahrheit und Schein! Man baut Ziborien
mit turmförmig ausgearbeiteten Deckeln, deren Nodus und Deckel so spitzkantig
sind, daß ein Zugreifen ohne Verletzung der Hand nicht möglich ist; das liturgisch
vorgeschriebene Mäntelchen verdeckt mitleidig und, praktischer wie das Gefäß
selbst, dessen Schwächen. Unwahrheit und Schein! Welcher Geistliche hätte
nicht schon einmal Bekanntschaft gemacht mit all' dem lästigen und überflüssigen
Kram, der einer ungesunden Renommiersucht entwachsen ist.

Ist es denn der immer wieder geschmähte Ungeschmack der Besteller allein, der
solche Unkultur in der kirchlichen Metallkunst am Leben erhält? Alle diejenigen,
die mit mir Gelegenheit hatten, geistlichen Konfratres anders gestaltete Metallkunst
vorzulegen, in neuzeitlicher Auffassung, aus praktischen Bedürfnissen heraus kon-
struiert, sie werden zugeben, daß der Geistliche sehr wohl für wesens-
echte Kunstzu haben ist, sofern ihm solche geboten wird. Beispiele
aus der Praxis würden diesen Satz lebendig illustrieren. Der Mann hinter dem Laden-
tische ist derjenige, welcher den Geschmack bestimmt. Mit einer ans Unglaubliche
grenzenden Überlegenheit diktieren diese Ladenbesitzer selbst einem geschmacklich
selbständigen Kunden ihre Meinung, die selbstverständlich völlig identisch ist mit
 
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