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Zeitschrift für christliche Kunst — 27.1914

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Witte, Fritz: Talmi gegen Gold: Über schlechte u. echte Metallkunst im Dienste der Kirche
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https://doi.org/10.11588/diglit.4362#0031

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Nr. 1/2.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

19

der in den auf Vorrat gearbeiteten Gegenständen zum Ausdruck kommenden. Es
ist wahr! In den Händen des geschickten Verkäufers wird der Geistliche immer
wieder zu Wachs, und er unterwirft sich mit Bewußtlosigkeit selbst den geschmack-
losesten Äußerungen des geschwätzigen Fabrikanten. Nichtkönnen und Nicht-
wollen gehen vielfach Hand in Hand, und der Metallarbeiter, der einmal groß ge-
worden ist in Romanisch und Gotisch, wird nur schwer aus seiner Haut heraus-
können, falls er nicht die Triebkraft des künstlerischen Erkennens und künst-
lerischer Schaffensbegabung in sich trägt. Es ist leicht und billig, mit einem mit-
leidigen Achselzucken über die modernen Bestrebungen den Stab zu brechen;
zum Mitarbeiten und zu persönlichen Leistungen gehört Talent und Fleiß. Ich
ging selbst einmal in einen Laden für kirchliche Geräte und ließ mir allerlei zeigen:
Gotische Monstranzen, Kelche, Ziborien, krankhafte Versuche in „Romanisch",
Modelle, die mit kleinen Abweichungen überall zu finden sind. Auf meine naive
Frage, ob auch wohl etwas in modernen Formen gewünscht werde, machte der
Goldschmied einen — wie mir schien, ihm wohltuenden — Ausfall gegen diese
„Verrückten", die Kelche im „Jugendstil" verlangten. Mit wenigen, aber markigen
Worten wurden diese Barbaren des Geschmackes unter die wilden Unzivihsierten
versetzt und den historischen, den „echten" historischen Stilen ein mit Allelujas
gespicktes Loblied gesungen. Das war vor nicht drei Jahren! Also alles, was in
den letzten zehn Jahren in mühsamer Arbeit errungen, das warf dieser Mann dem
schreckhaften Wechselbalg des Jugendstiles in den Rachen, dieser Ausgeburt derVer-
ständnislosigkeit industrieller Musterzeichner! Nach einigen zehn Sätzen der Gegen-
rede fragte mich derselbe Meister, ob ich ihm nicht einen Künstler angeben könnte,
der ihm moderne Entwürfe anfertige! Laßt euch nicht beirren, ihr von der Partei
der Weiterstrebenden! Lasset sie nörgeln und lasset sie offen schimpfen! Wer
euch nicht mit künstlerischer Qualität dienen kann, die auf dem Fruchtboden
eigenerArbeit gewachsen ist, der ist kein Künstler und verdient nicht, daß ihr ihm
glaubet. Diejenigen
Goldschmiede, die
in der Schule des
Eklektizismus groß
wurden und dort ihr
technisches Können
sich holten, werden,
sofern sie ihre Auf-
gaben erfaßt haben,
auch in unserem, im
neuzeitlichen Sinne
schaffen können und
vor allem auch schaf-
fen wollen, sofern
sie wirklich zur gott-
begnadeten Zunft
der Künstler ge-
hören; zum minde-
sten werden die alten
StileinihrenHänden
biegsam (Abb. 11). Abb. 21. Bronzeieuditer des XV. Jahrh. SIg Sdmütgen, Köln.
 
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