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Zeitschrift für christliche Kunst — 27.1914

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Witte, Fritz: Talmi gegen Gold: Über schlechte u. echte Metallkunst im Dienste der Kirche
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https://doi.org/10.11588/diglit.4362#0040

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Nr. 1/2

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

27

Nirgends ist kühle, verstandesmäßige Berechnung weniger angebracht als in
der Goldschmiedewerkstatt, nirgends auch ein Zuviel von Prinzipien, von starren
Kunstregeln usf.; die mag man dem anfangenden Lehrling auftischen, solange
ihm die Handfertigkeit noch nicht geläufig ist. Hat die Aufgabe des Gold-
schmiedes nicht so etwas von der des Malers, von seiner Ungebundenheit auch?
Fordert nicht unter der Arbeit, ganz unvorhergesehen, ein einzelner schief
genommener Hammerschlag vielleicht eine nicht unwesentliche Abänderung der
Form und des Schmuckes? Wenn wir bei den Großarbeiten des XII. und
XIII. Jahrhunderts nur abgezirkelte Maße und ledern konstruierte Aufteilungen
usf. fänden, wir würden die große Familie der Reliquienschreine über alle
Maßen langweilig finden, und das Beschauen des einen würde uns des Studiums
eines zweiten überheben. Aber man trete einmal unbefangen an all diese alten
Dinge heran, wie sehr da der Zufall mitgesprochen hat und heute noch mit-
redet, wie eine große Kamee oder Gemme, die man als Kostbarkeit einmal
besaß, einer ganzen Fläche den Stimmungston nicht nur, sondern geradezu die
ganze Form gegeben hat. Da bei uns Zirkel und Lineal allein zu Worte kamen,
haben wir auch die Un-
summe von langweilenden
kirchlichen Geräten be-
kommen, die wie aus der-
selben Gußform hervor-
gegangen erscheinen. Wer
wird denn beispielsweise
selbst den reichsten Kelch
einmal in der Hand rum-
drehen, um eine andere,
eine zweite und dritte und
gar vierte Seite an ihm zu
sehen und neue originelle
Formen auf ihr? Hier
ist vorn auch hinten und
seitlich zugleich. Unsere
Modernen wissen der Ge-
fahr der langweiligen Wie- Abb. 29. Altarleuchter. Gebr. Schmidt, Iserlohn,
derholung aus dem Wege

zu gehen, und schon dadurch, daß sie der Berechnung und der verstandes-
mäßigen Herstellung eines bindenden Entwurfes keinen Raum geben und
einzig aus der Technik und dem dazu notwendigen Instrument die Formen
geboren lassen werden. Man lasse doch dem Material seinen ureigenen
herrlichen Klang, lasse das Silber Silber, das Gold Gold sein, gebe ihm
die innewohnenden Unterscheidungsmerkmale, die es vom Zinn und Blei
unterscheiden, an der Stirne als Ehrenzeichen mit. Man künstele aber auch
nicht zuviel an ihm herum, sondern bleibe so echt handwerklich. Ja! hand-
werklich; das ist der erste und vornehmste Ehrentitel, den das Werk des Gold-
schmiedes führen darf und führen soll; jedes Metall und jede Technik für
Metall spricht, wie ein moderner Kunstschriftsteller einmal richtig sich aus-
drückte, seinen eigenen Dialekt, und wir fügen hinzu, wo es einen anderen
Dialekt redet, da verstellt es sich und wird unwahr. Auch hier währt ehrlich
 
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