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Zeitschrift für christliche Kunst — 27.1914

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Witte, Fritz: Talmi gegen Gold: Über schlechte u. echte Metallkunst im Dienste der Kirche
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https://doi.org/10.11588/diglit.4362#0041

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28

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. 1/2.

am längsten. Ich will damit keines-
wegs sagen, daß etwa die Vergoldung
eines aus Kupfer geschlagenen Kelches
unwahr und deshalb zu verwerfen sei;
einzig die Bearbeitung des Metalles
als solchen sei wahr. Wir erkennen
bei guter handwerklicher Verarbeitung
auch unter dem Goldüberzug zumeist
den Metallcharakter heraus; wo wir
ihn nicht klar erkennen, ist eben der
Gold- oder Kupferschmied nicht in
den Grenzen geblieben, die ihm die
Metallart gezogen hat. Aber Techniken
imitieren, an Kelchen und Monstran-
zen Buckelungen anbringen, die aus
der Form gegossen sind, aber echt
erscheinen wollen, das ist unwahr und
unkünstlerisch.Unkünstlensch ist auch,
„Gravierungen" aus der Gußform zu
holen, einzig aus Bilhgkeitsgründen
oder um das Gerät reicher erscheinen
zu lassen. Das ist in Wirklichkeit
jammervolle Armut. Wenn man alles
das kurz sagen will, aber doch er-
schöpfend, dann soll die Formenwelt
des Goldschmiedes nicht auf dem
Papier geboren werden, sondern aus
dem Material heraus, mehr wie irgend-
wo anders ; deshalb ist es auch so schwer,
daß derjenige gute Entwürfe fertige
für Metallkunst, der in den tech-
nischen Möglichkeiten sich nicht genügend auskennt.

Gewiß ist es wahr, daß gegenüber der in der zweiten Hälfte des verflossenen
Jahrhunderts geübten reichen Ausgestaltung der kirchlichen Geräte — wenn wir
sie nicht Überladung nennen wollen — die Schmuckform wesentlich vereinfacht
ist. Der starke figürliche Schmuck in Treib- und Graviermanier ist bedeutend
zurückgetreten, vielleicht nicht zuletzt deswegen, weil uns eine vollkommene,
künstlerisch uns befriedigende Einbeziehung des Figuralen in das Ornamentale
noch nicht geläufig ist. Die dürftige Anwendung des Figürlichen hat ihren letzten
Grund aber im Prinzip der modernen Goldschmiedekunst, die Fläche des Metalles
in ihrer nackten Einfachheit zur Geltung kommen zu lassen und ihr in erster Linie
das Feld einzuräumen. Bei größeren Werken, wie Altären usw., wo der figurale
Schmuck mehr Selbstzweck sein darf, gehen wir ihm in moderner Verfassung
keineswegs aus dem Wege, wie wir demnächst an dieser Stelle zu zeigen gedenken.
Armut an Erfindungs- und Gestaltungsgabe ist es also nicht, wenn die moderne
Goldschmiedekunst mit so einfachen Schmuckmitteln operiert, wir wissen auch
recht wohl, daß das kirchliche Gerät kaum je vollkommen auf figürliche Dar-
stellungen verzichten wird, und werden Wege zu gehen wissen, die zur Be-

Abb. 30.

Hermeling <Kleefisdi>, Köln.
 
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