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Zeitschrift für christliche Kunst — 27.1914

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Witte, Fritz: Aphorismen über religiöse Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4362#0050

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36

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. 3.

singt und klingt, vom unscheinbaren Blümchen in der Wiese bis zum farben-
strotzenden Blütenzweig, von der Grasmücke bis zum drolligen Häschen, das
sorglos in diese Umgebung sich wagt. Und mitten drinnen, übergössen von der
Fülle himmlischer Anmut, gekleidet in das Gewand der Schönheit und der Demut,
thront die Maienkönigin, wie eine gute Mutter und echte Kinderfreundin es
duldend, daß zwei der kleinen Himmelsrangen sorglos und zutraulich an ihre
Schulter sich lehnen, um zu schlafen.

Welch ein Unterschied zwischen diesem frisch vom Herzen weg gemalten Bilde

und den künstlich,
aber nicht künstle-
risch aufgeblasenen
landläufigen Mach-
werken ! Ich möchte
wissen, ob auch nur
ein einziger gläu-
biger Mann Anstand
nehmen würde, ei-
nem solchen Bilde
den Ehrenplatz eines
Hausaltares in seiner
Wohnung anzuwei-
sen; ein Bild wie ge-
schaffen dafür, all-
täglich die Kinder
des Hauses um die
sorgendeMutterzum
Gebete versammelt
zu sehen.

Einen ganz an-
deren Ton schlägt
das zweite Bild an
(Abb. 1). Auch hier
wieder die Echtheit
und Wahrhaftigkeit
in der Beobachtung
und ihrer Wieder-
gabe. Die Phantasie

des Malers zeigt hier ein ganz seltenes Maß von Reichtum, ein gesunder
Humor greift Platz, und beide sind dienstbar gemacht der einen großen Idee:
die Himmelskönigin zu ehren und zu schmücken. Auch hier wieder eine
goldige Feierpracht der Farben, die Herz und Gemüt aus dem Alltagsgefühl
herausheben und dem Vorgang zugesellen, der sich abspielt. Wundervoll ist die
überirdische Ruhe und Weltferne, in die der Vorgang versetzt wird, trotz des
Gekrabbeis und der geschäftigen Regsamkeit der vielen Dutzend Engelchen, die
in Haus und Baum wie gute Kobolde ihr Wesen treiben, jedes nach seiner Art,
hier und da sogar in einer Weise, die ihnen die Strafe der verständigeren größeren
Engel zuzieht. Niemand wird sagen können, daß solche Harmlosigkeiten der
Weihe des Bildes Abbruch tun; wir haben eben kein Bild für die Kirche, wohl

Abb. 2.

Von H. Windelschmidt.
 
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