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Zeitschrift für christliche Kunst — 27.1914

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Lauscher, Albert: Die Publikation der Sammlung Schnütgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4362#0059

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Nr. 3. ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. 45

teils zum Aufhängen eingerichtete Räuchergefäße, die auch wohl getragen wurden,
teils Standgefäße mit kleinen Füßchen. Die weitere Entwicklung läßt die Samm-
lung mit ihrer reichen Kollektion deutlich erkennen (Taf. 43—47).

Die gehaltvollen Ausführungen des Bearbeiters über Gießgefäße,
Hostienbehälter und Hostieneisen seien nur im Vorbeigehen
erwähnt. Zu dem sehr lesenswerten Aufsatze über Reliquienbehälter
hätte ich zu bemerken, daß der Rehquienkult nicht erst, wie Witte angibt, im
IV. Jahrh. einsetzt, sondern durch das Sendschreiben der Kirche von Smyrna
schon für das II. Jahrh. einwandfrei bezeugt ist. Daß die Reliquien Verehrung
im IV. Jahrh. namentlich durch die Bemühungen des Papstes Damasus einen
mächtigen Aufschwung genommen hat, kann und soll natürlich nicht bestritten
werden. Die älteste Form des Reliquiars dürfte die Kapsel sein, die kleinere
Reliquien barg; daneben erscheinen Beutel, später Behälter mannigfaltigster
Form und verschiedenartigen Materials, die sich oft der Reliquie in ihrer äußeren
Gestalt anpassen. Auf der Höhe des Mittelalters geben die großen kirchenförmig
gestalteten Schreine der romanischen Goldschmiedekunst Gelegenheit zur Ent-
faltung ihres kaum noch zu überbietenden Könnens. Das XIII. Jahrh. schuf
eigentliche Ostensonen, die die Reliquien sichtbar zeigten. Auch Reliquienkreuze,
teils zum Aufstellen, teils zum Tragen eingerichtet, erfreuten sich großer Beliebt-
heit (vgl. Tafel 54—66).

Die lehrreichen Darlegungen des Bearbeiters über Ölbehälter, Weih-
wasserbehälter, Enkolpien, Pilgerabzeichen und Agnus
D e i können an dieser Stelle nur erwähnt werden, weil sonst das Referat die ihm
gezogenen Grenzen allzusehr überschreiten würde. Die letzte Abhandlung über
„die euchanstischen Geräte und die Sage vom h. Gral" bietet einen ansprechen-
den Versuch zur Lösung des Gralsproblems, den der Verfasser in dieser Zeit-
schrift (Jahrg. 1913, S. 103—113) ausführlicher entwickelt hat. Den Schluß
bilden Literaturnachweis und Tafelverzeichnis.

Rückschauend und zusammenfassend darf man unbedenklich behaupten, daß
in der Publikation der Sammlung Schnütgen, soweit sie bis jetzt vorliegt, der
kirchlichen Kunstwissenschaft ein Werk geschenkt worden ist, das textlich wie
illustrativ eine hervorragende Leistung darstellt. Die souveräne Meisterschaft,
womit Witte den erdrückend mächtigen Stoff bewältigt und auf engstem Räume
zu durchsichtig klarer Darstellung gebracht hat, verdient uneingeschränkte An-
erkennung und oft genug geradezu Bewunderung. Nicht überall konnte er völlig
gesicherte Ergebnisse vorlegen, manchmal waren Konjekturen und Hypothesen
unvermeidlich, in allen Fällen aber hat er seine Anschauung so sorgfältig begründet,
daß ihr gutes Recht, neben abweichenden Meinungen gehört und geprüft zu
werden, nicht angezweifelt werden kann. Die Reproduktionen der reichen plasti-
schen und metallischen Schätze der Sammlung suchen an Schärfe und Präzision
ihresgleichen; die Hindernisse, die die Spiegelung des Metalls der photographischen
Aufnahme entgegenstellt, sind allermeist glänzend überwunden. Der Verlag hat
alles aufgeboten, um der Publikation durch vornehme Ausstattung den Charakter
eines Prachtwerkes zu geben, das den Anforderungen moderner Buchkunst vollauf
gerecht wird und der einzigartigen Sammlung, wie des Mannes, der sie geschaffen
hat, würdig ist. Möge der den textilen Schätzen der Sammlung gewidmete dritte
Band, der das monumentale Werk zum Abschluß bringen wird, nicht allzulange
auf sich warten lassen! Albert Lauscher, Köln.
 
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