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Zeitschrift für christliche Kunst — 27.1914

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Bombe, Walter: Werke alter Holzschnitzkunst in Peruginer Kirchen u. Zunfthäusern
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https://doi.org/10.11588/diglit.4362#0109

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 6.

vollendete Chorgestühl des Domes zum Vorbilde genommen zu haben, dessen
Intarsia in Erfindung und Durchführung ähnlich reizvoll ist. Was die Peruginer
Holzschnitzer in dieser Zeit geleistet haben, ist mit diesen Leistungen der Floren-
tiner verglichen, die ihre edlen toskanischen Dekorationsmotive überall, wohin sie
kamen, zu verbreiten wußten, befangen und unsicher. Em Vergleich des Chor-
gestühls im Dom mit desselben Künstlers Schnitzarbeiten im Cambio zeigt, wie
bei allem Reichtum der Renaissancemotive immer eine vornehme Zurückhaltung
bewahrt und der Unterschied zwischen der profanen und der kirchlichen Bestim-
mung festgehalten wird. Erst 1520 erhielt das großartige Stuhlwerk des Domes
seinen monumentalen Abschluß durch die beiden Sitzbänke für den hohen Klerus,
die der Peruginer Ciancio di Pierfrancesco nach Vorlagen des Architekten und
Steinmetzen Rocco da Vicenza ausführte.

Einer der großen Florentiner Architekten, Baccio dAgnolo, der von
1491 bis 1496 das Chorgestühl von S. Maria Novella in Florenz geschaffen hatte,
übernahm 1502 den Auftrag, nach Vorlagen, die Pietro Perugino zu liefern sich
verpflichtete, für die Kirche S. Agostino ein umfangreiches Stuhlwerk zu
liefern. Hier hat Baccio d Agnolo in ausgesprochenem Florentiner Stile nach und
zierlich in den Raum verteilte Ranken und Arabesken anmutigster Art, bald weich
verlaufend, bald kantig und unterschnitten, von stark stilisierter Form geschaffen.
Erst dreißig Jahre später brachte er die Arbeit nach jahrzehntelanger Pause in
reicherer, aber fast schon überladener Ornamentation zum Abschluß.

Auch im weiteren Verlauf des XVI. Jahrh. wurden die wichtigsten Aufträge
Peruginer Kirchen in der Regel an auswärtige Künstler vergeben. So schufen
Niccolo di Stefano aus Bologna (1526), Stefano dei Zambelh aus Bergamo (1533)
und dessen Bruder Fra Damiano (1536) das herrliche Chorgestühl von S. P l e t r o,
das an Eleganz und Reichtum der Formen und an malerischer Wirkung in Perugia
unübertroffen dasteht. Der untere Teil der Rücklehnen zeigt Intarsiaschmuck,
alles übrige Rehefdekorationen von edelstem Geschmack und größtem Reichtum.
Die Tür, die das Gestühl in der Mitte unterbricht, ist von Fra Damiano mit
interessanten, reich belebten Darstellungen der Verkündigung und der Findung
Mosis und den Köpfen der beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus in eingelegter
Arbeit geschmückt worden. Wegen einiger raffaellesker Motive, die sich hier und
da finden, hat man lange Raffael die Erfindung der Grotesken- und Arabesken-
dekorationen zuschreiben wollen; aber gerade die bunte Auswahl von verschieden-
artigen Reminiszenzen aus den Dekorationen Raffaels und seines Werkstatt-
genossen Giovanni da Udine ist das beste Argument gegen Raffaels Urheberschaft.

Der Übergang zu barocken Formen macht sich bereits geltend an dem Gestühl
der Kapelle des heiligen Ringes im Dome (links vom Eingang), von Giovanbattista
Bastone aus Perugia 1529 geschaffen. Derselbe Künstler hat auch das Chorgestühl
für S. Girolamo 1510 vollendet, während das von ihm begonnene Stuhlwerk
für S. Francesco erst um 1560 von seinen Söhnen Eusebio und Girolamo
vollendet wurde. Eusebio Bastoni, der auch die Türflügel des 1568 enthüllten
Portals des Domes gegen die Piazza Grande geschnitzt hat, war berühmt wegen
seiner Kruzifixusdarstellungen, von denen leider keine mehr in den Peruginer
Kirchen identifiziert werden kann.

Ganz im Stile des Barock ist das Gestühl in der Bernhardinskapeile
des Doms (rechts vom Eingang) gehalten, das in ungemein reichen, aber fast schon
 
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