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Zeitschrift für christliche Kunst — 27.1914

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Schneider, Franz: Dorfkirchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4362#0165

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Nr. 8/9.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

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erinnernden Rest unter allen Umständen erhalten wissen wollte. Dieser alte Chor-
bau oder Turm steht dann neben dem aufdringlichen Neubau wie ein bescheidenes
Bäuerlein neben einem Parvenü. Die neue Kirche bleibt für alle Zeiten in dem
sonst so schönen Dorf eine störende Erscheinung, der organische Zusammenhang
der Kirche mit dem Ortsbild ist zerstört, weil der Umbau durch seinen unechten
mißverstandenen Reichtum und durch die fremdartigen Baumaterialien, die man
weit herholte, sich zu seiner dörfischen Umgebung kalt und protzig verhält. Die
für den Bau vorhandenen Mittel haben dann gewöhnlich infolge erheblicher Kosten-
überschreitungen nicht gereicht — die Abtragung der Bauschulden nimmt die
Gemeinde noch lange in Anspruch, so daß an eine würdige und künstlerische
Innenausstattung so bald nicht gedacht werden kann, und da die alte Einrichtung
zur neuen Kirche nicht mehr paßt, werden billige Erzeugnisse aus den „Kirch-
lichen K u n s t anstalten", wie Terrakottafiguren, minderwertige Glasgemälde,
Altäre und dergl. gekauft und die Verödung des Kircheninnern wetteifert mit der
des alten Kirchplatzes — zum größten Schmerz derer, denen das frühere reizvolle
Bild ans Herz gewachsen war. Ebenso häufig wie diese Fälle sind die der Ver-
schandelung schöner Orte durch gänzliche Neuanlagen, und es gehen unserm
Vaterlande dadurch fortwährend unersetzliche Werte verloren, so daß es für jeden
Einsichtigen heilige Pflicht ist, weitere Verwüstungen nach Kräften verhüten zu
helfen.

Die Möglichkeiten zur Vorbeugung solcher Mißgriffe sind häufig recht gering,
da derartige Projekte meistens zu spät bekannt werden. Wenn aber diese Ausfüh-
rungen dazu beitragen sollten, nur e i n Dorf vor Verunstaltungen zu bewahren, so
halte ich meine Mühe für reichlich belohnt2.

Für Neubauten wähle man möglichst einen Platz, welcher der Kirche die denk-
bar beste Wirkung im Landschafts- und
Ortsbilde sichert, entweder auf einer domi-
nierenden Anhöhe, oder zwischen Häuser-
gruppen so an einen freien Platz gelehnt,
daß dieser an einer Seite durch die Kirche
seinen Abschluß findet; die Stellung der
Kirche mitten auf dem Platz ist meistens
verwerflich. Auch kann der Turm, der Chor-
schluß oder eine Langseite mit einem hüb-
schen Portal einen interessanten Abschluß
für eine Straße bilden. Schöne Überschnei-
dungen mit Häusergiebeln, Dachfirsten und
Baumkronen können außerordentlich reizvoll
wirken und ist es durchaus nicht erforder-
lich, daß man den ganzen Kirchenbau frei
vor sich liegen habe. Eine zu freie Lage ruft
leicht die Wirkung der Leere und der zu

2 Auch über eine der schönsten der hier abge-
bildeten Kirchen ist das Todesurteil bereits ge-
sprochen, es wird vollstreckt, sobald die nötigen
Mittel dazu vorhanden sind.

Abb.22. Waldenburgkapelle b. Attendorn i. W.


 
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