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Zeitschrift für christliche Kunst — 27.1914

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Arntz, Ludwig: Burg- und Schlosskapellen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4362#0196

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176

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 11/12

keiten; es boten solche Verhältnisse aber auch Gelegenheit, unterhalb des Kapellen-
bodens die sich ergebenden Hohlräume geschickt anzulegen und auszunutzen. Bei
ebenerdiger Lage hat man frühzeitig den Untergrund zur Gruft für die ver-
storbenen Mitglieder der Burgherrschaft benutzt. Daneben hat für andere,
wirtschaftliche Zwecke ein gegebener Hohlraum unter der Kapelle, bzw. das
Untergeschoß derselben Verwendung gefunden (z. B. als Brunnenstube auf
Burg Lichtenstein in Franken, als Zisterne auf Burg Kienzheim im
Elsaß). Auch für Verteidigungszwecke hat man Hohlräume, die sich aus ab-
schüssigem Felsboden ergaben, nutzbar gemacht, wie z. B. auf Burg Wilden-
stein im Donautal, wo der unter der Kapelle befindliche, 4,50 m hohe Raum
gestattet, aus vorgelegter Scharte die anliegenden Ringmauern samt der an-
schließenden Felswand wirksam zu bestreichen. Die Unterbringung der Kapelle
in einem von starken Mauern umfaßten Wehrturm, z. B. auf Burg Gnand-
s t e l n in Sachsen, verlangte andere Anordnungen und Maßnahmen, als der Ein-
bau in einem mehr gestreckten Wohnbau, der im Obergeschoß mit schwächeren
Mauern oder Fachwerkwänden ausgeführt war. Hie und da waren vielleicht
besondere Bedingungen bezüglich der Verbindung mit den Wohnräumen oder dem
Treppenaufgang zu erfüllen, oder der Aufbau einer Kapelle über einem Toreingang
setzte einen geeigneten Unterbau und einen gesicherten Zugang voraus. Wieder
andere Ansprüche waren zu befriedigen, wenn die Anlage einer freigebauten Hof-
kapelle in der Hauptburg, in der Vorburg oder im Burgflecken in Frage stand.
Stellte so schon die erste Anlage nicht unbedeutende Anforderungen an Geschick,
Tüchtigkeit und Erfahrung des Werk- oder Baumeisters, so mehrten sich die
Schwierigkeiten weiterhin, falls die überkommene Kapellenanlage umzugestalten
war, unter Erhaltung verwendbarer Bauteile. Sehr häufig mochte auch wohl der
Fall eintreten, daß auf den Trümmern einer von Feindeshand zerstörten oder ver-
wüsteten Kapelle eine erneute, besser gesicherte Andachtsstätte zu errichten war.
Wenn so an eine von Geschlecht zu Geschlecht treu gepflegte Überlieferung wieder
anzuknüpfen war, mußte doch stets bei der Ausgestaltung einem veränderten Zeit-
bedürfnis entsprochen werden.

Wie nun im einzelnen Falle die gestellte Aufgabe gelöst worden ist, davon
geben die erhaltenen Burg- und Schloßkapellen ein recht anschauliches, wenn auch
nicht immer lückenloses Bild. Denn nur der kleinere Teil ist uns — oft in nicht
einwandfreiem Zustande — überkommen. Immerhin ist ihre Zahl noch so groß,
daß sich eine Betrachtung der baulichen Grundformen an der Hand gesammelter
Beispiele wohl lohnen dürfte. Um die gewünschte Übersicht zu erleichtern,
empfiehlt sich eine Einteilung des Stoffes in zwei Hauptgruppen:

1. Eingebaute Kapellen im Wohnturm, Wohnflügel
oder Torhaus.

2. Freigebaute Kapellen im Burgfrieden oder Burg-
flecken.

Eine weitere Unterscheidung ergibt sich unschwer aus der vorherrschenden Grund-
form, die sich entweder aus einer Hauptachse, oder einem Kreise bez. eingeschrie-
benem Vieleck herleiten läßt. Beide Grundformen, die des Langbaues und die
des Rundbaues, werden einschiffig, zweischiffig und dreischiffig entwickelt. Eine
besondere Aufrißbildung kommt im Emporeneinbau und im doppelten Aufbau
zur Erscheinung.
 
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