ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr.
lensche vereint, kämpft mit sich selbst. Künstlerische Kraft kann er den Führern
der deutsch-römischen Schule nicht absprechen, doch hat Rom ihnen ihr Bestes
genommen, wie ehedem im Mittelalter unserem ganzen Volke7. Gurlitt ist für
seine Person stark Gegner der „Gedankenkunst ; aber er bewahrt das Bewußt-
sein, daß der Maßstab von heute nicht die Gewähr hat, ewig gültig zu sein, und so
gesteht er in seiner ehrlichen Art vor des Cornelius'Kartons in Berlin : ,,Er ist tot
und ich lebe! Das ist der einzige Vorteil, den ich über ihn errang. Aber der Tote
erwacht, wenn man ihm durch seine Werke hinein in die Seele schaut. Da wirkt
noch eine Kraft, die nicht mitbegraben wurde, eine Kraft, die nur von einem
großen Menschen ausgeht, einem Unsterblichen. 8
Ich glaube, über die ganze Nazarenerschule ist das letzte Wort noch nicht
gesprochen. So mag dieser Versuch, ihre Bedeutung für die deutsche Kunst von
neuem zu würdigen, berechtigt sein.
Es ist vielleicht gut, einen schlichten Überblick über die wichtigsten Tat-
sachen ihres Werdens und Wirkens der Frage vorangehen zu lassen, ob Segen
von ihnen gekommen ist oder nicht.
Im Jahre 1806 zog Friedrich Overbeck, der 1789 geborene Sohn des Lübecker
Senators Dr. Christian Overbeck, nach Wien, um unter Fügers vielgerühmter
Leitung sich als Maler auszubilden. Ein tiefer Drang trieb ihn von Fügers Weich-
heit und äußerlicher Gefälligkeit zu den alten deutschen und den italienischen
Meistern der Frührenaissance. Der hohlen Mache wollte er eine Kunst entgegen-
setzen, die aus tiefstem innerm Empfinden kam und in reiner, schlichter Zeichnung
Ausdruck gewann. Mit gleichgesinnten Freunden, dem Frankfurter Franz
Pforr, dem Schwaben Wintergerst, den Schweizern Vogel und Hottinger und dem
Österreicher Sutter gründete er 1808 die Lukasbruderschaft. Es war eine Art
„Sezession". Die Professoren benutzten die Raumschwierigkeiten bei der Neu-
eröffnung der im französisch-österreichischen Kriege von 1809 zeitweilig geschlos-
senen Akademie, um den Tüchtigsten der lästigen Neuerer, Pforr, Overbeck und
Vogel, das weitere Arbeiten unmöglich zu machen. So wanderten diese 1810
mit Hottinger den beiden letzten ihres Bundes voraus nach Rom. In dem ver-
lassenen Kloster der irischen Franziskaner S. Isidoro fanden sie Obdach; ihre
weltabgeschiedene Lebensweise und fromme Kunstrichtung brachte ihnen bald
bei anderen Malern in Rom den Spottnamen „Nazarener" ein. Die beiden Söhne
des großen Berliner Bildhauers Schadow, Wilhelm der Maler und Rudolf der
Bildhauer, die auch 1810 nach Rom kamen, schlössen sich ihnen an. 1811 kam mit
seinem Freunde, dem Kupferstecher Xeller, Peter Cornelius, der 1783 geborene
Sohn eines Düsseldorfer Malers und Galerieinspektors, von Frankfurt her zu ihnen.
Die Sperrung der Wege machte es ihm 1813 unmöglich, sein Vorhaben auszu-
führen und am deutschen Freiheitskriege teilzunehmen'. Ein junger, wackerer
7 Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts, ihre Ziele und Taten, 3. Auflage, Berlin
1907, S. 276.
8 Ebendort S. 225.
9 Die Angabe Schefflers S. 18: „Nicht einer der Nazarener hat an den Freiheits-
kriegen teilzunehmen den Drang gehabt", ist sehr befremdend. Denn wir haben keinen An-
laß, an der Ehrlichkeit des Wunsches bei Cornelius zu zweifeln; vgl. seinen Brief an Wenner bei
Ernst Förster, Peter von Cornelius, ein Gedenkbuch aus seinem Leben und Wirken, Berlin
1874, I, 142. Zudem hat Philipp Veit als Lützower und später im Bülowschen Freikorps den
lensche vereint, kämpft mit sich selbst. Künstlerische Kraft kann er den Führern
der deutsch-römischen Schule nicht absprechen, doch hat Rom ihnen ihr Bestes
genommen, wie ehedem im Mittelalter unserem ganzen Volke7. Gurlitt ist für
seine Person stark Gegner der „Gedankenkunst ; aber er bewahrt das Bewußt-
sein, daß der Maßstab von heute nicht die Gewähr hat, ewig gültig zu sein, und so
gesteht er in seiner ehrlichen Art vor des Cornelius'Kartons in Berlin : ,,Er ist tot
und ich lebe! Das ist der einzige Vorteil, den ich über ihn errang. Aber der Tote
erwacht, wenn man ihm durch seine Werke hinein in die Seele schaut. Da wirkt
noch eine Kraft, die nicht mitbegraben wurde, eine Kraft, die nur von einem
großen Menschen ausgeht, einem Unsterblichen. 8
Ich glaube, über die ganze Nazarenerschule ist das letzte Wort noch nicht
gesprochen. So mag dieser Versuch, ihre Bedeutung für die deutsche Kunst von
neuem zu würdigen, berechtigt sein.
Es ist vielleicht gut, einen schlichten Überblick über die wichtigsten Tat-
sachen ihres Werdens und Wirkens der Frage vorangehen zu lassen, ob Segen
von ihnen gekommen ist oder nicht.
Im Jahre 1806 zog Friedrich Overbeck, der 1789 geborene Sohn des Lübecker
Senators Dr. Christian Overbeck, nach Wien, um unter Fügers vielgerühmter
Leitung sich als Maler auszubilden. Ein tiefer Drang trieb ihn von Fügers Weich-
heit und äußerlicher Gefälligkeit zu den alten deutschen und den italienischen
Meistern der Frührenaissance. Der hohlen Mache wollte er eine Kunst entgegen-
setzen, die aus tiefstem innerm Empfinden kam und in reiner, schlichter Zeichnung
Ausdruck gewann. Mit gleichgesinnten Freunden, dem Frankfurter Franz
Pforr, dem Schwaben Wintergerst, den Schweizern Vogel und Hottinger und dem
Österreicher Sutter gründete er 1808 die Lukasbruderschaft. Es war eine Art
„Sezession". Die Professoren benutzten die Raumschwierigkeiten bei der Neu-
eröffnung der im französisch-österreichischen Kriege von 1809 zeitweilig geschlos-
senen Akademie, um den Tüchtigsten der lästigen Neuerer, Pforr, Overbeck und
Vogel, das weitere Arbeiten unmöglich zu machen. So wanderten diese 1810
mit Hottinger den beiden letzten ihres Bundes voraus nach Rom. In dem ver-
lassenen Kloster der irischen Franziskaner S. Isidoro fanden sie Obdach; ihre
weltabgeschiedene Lebensweise und fromme Kunstrichtung brachte ihnen bald
bei anderen Malern in Rom den Spottnamen „Nazarener" ein. Die beiden Söhne
des großen Berliner Bildhauers Schadow, Wilhelm der Maler und Rudolf der
Bildhauer, die auch 1810 nach Rom kamen, schlössen sich ihnen an. 1811 kam mit
seinem Freunde, dem Kupferstecher Xeller, Peter Cornelius, der 1783 geborene
Sohn eines Düsseldorfer Malers und Galerieinspektors, von Frankfurt her zu ihnen.
Die Sperrung der Wege machte es ihm 1813 unmöglich, sein Vorhaben auszu-
führen und am deutschen Freiheitskriege teilzunehmen'. Ein junger, wackerer
7 Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts, ihre Ziele und Taten, 3. Auflage, Berlin
1907, S. 276.
8 Ebendort S. 225.
9 Die Angabe Schefflers S. 18: „Nicht einer der Nazarener hat an den Freiheits-
kriegen teilzunehmen den Drang gehabt", ist sehr befremdend. Denn wir haben keinen An-
laß, an der Ehrlichkeit des Wunsches bei Cornelius zu zweifeln; vgl. seinen Brief an Wenner bei
Ernst Förster, Peter von Cornelius, ein Gedenkbuch aus seinem Leben und Wirken, Berlin
1874, I, 142. Zudem hat Philipp Veit als Lützower und später im Bülowschen Freikorps den