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Zeitschrift für christliche Kunst — 30.1917

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Nüttgens, Heinrich: Erfahrungen auf dem Gebiete der neuzeitlichen religiösen Malerei
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Witte, Fritz: Spätgotische Madonna
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https://doi.org/10.11588/diglit.4334#0151

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Nr. 10___________ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.___________135

Das Altarbild: Ein Engelständchen, bildet die Außenflügel des Marienaltares
in Holt bei M.Gladbach. Wie bei alten Werken die Außenflügel vielfach als ein
einheitliches Bild zusammengesetzt sind, ich erinnere nur an die Außenflügel
des Kölner Dombildes, so ist hier der Versuch bei einem viel schwierigeren Motiv
gemacht. Das natürliche Übergewicht der rechten Seite mit der Madonna und
dem Kinde ist aufgewogen durch den Wechsel der Gruppierung und Farbe des
linken Flügels. Die Linienkomposition in den Gewandungen war so einzu-
richten, daß die starke vertikale Durchschneidung des Bildes gemildert wurde.
— Bei dem Tafelbilde, Madonna auf dem Throne, jetzt im Besitz der National-
galerie zu Berlin, war größte Freiheit dem Künstler gestattet. Man wird
den bewußten Anschluß an die alten deutschen Kunstwerke bemerken und die
Vorliebe für die Darstellungen der Kinderengel, die dem Ganzen die persön-
liche Note geben.

Angermund bei Düsseldorf. Heinrich Nüttgens.

SPÄTGOTISCHE MADONNA.

(Mit Abbildung.)

Das Schnütgen-Museum erwarb vor kurzem aus dem Kunsthandel eine
eichenholzgeschnitzte Madonna, die in mehrfacher Beziehung für die
Kunstforschung von Interesse ist. Die Gesamthöhe der Figur mißt
97 cm. Die Madonna steht mit vorgesetztem linken Spielbeine auf der in
Hohlen geschnittenen Mondsichel, in deren Kurve das feiste kahlköpfige Mond-
gesicht erscheint. Zu ihren Füßen windet sich die Teufelsschlange mit drachen-
artig gezacktem Rücken und menschenähnlichem Kopfende. Der Kopf des
Teufels ist leider verloren, nur häßliche, zottige Hängebrüste sind erhalten, sowie
der rechte Arm mit Hand, die den Rest eines Zweiges hält, den wir mit Sicherheit
als Apfelzweig ansprechen können. Die Linke legt sich um die Spitze der Mond-
sichel. Bis auf das linke Unterärmchen des Christuskindes ist die Figur sonst
prächtig erhalten.

Die ausgehöhlte Rückseite ist unbearbeitet und weist einen Bretterverschluß
auf, in den ein kräftiger Haken zum Aufhängen der Figur eingetrieben ist.

Nach der ganzen Haltung und Verfassung der Figur ist mit einiger Sicher-
heit zu sagen, daß wir das Mittelstück eines Altares vor uns haben: es fehlt der
Figur jedwede Sockelbildung; sie ist auf der Rückseite abgeflacht und lässig in
der Polychromie; vor allem aber weist der Umstand auf eine Altarnische hin, daß
die Figur auffällig zusammengenommen ist, was ihre Breitenausdehnung be-
trifft. Da Reste von Strahlenansätzen nicht vorhanden sind, dürfte die Man-
dorla, wie vielfach üblich, auf der Rückwand der Nische aufgemalt gewesen sein.
Die Bestimmung einer abgeschlossenen, beengten Aufstellung gab der ganzen
Figur ihre Haltung: Sie ist in schlanken Verhältnissen aufgebaut, weite Aus-
ladungen in Körper und Gewand fehlen im Gegensatze zu den in der Zeit der
ausgehenden gotischen Plastik breit und bewegt postierten Standfiguren. Da-
durch gewinnt das Bild aber eine bedeutende Geschlossenheit der Silhouette, in
die auch das Christuskind einbezogen wurde, indem der Bildhauer es eng an
Hals und Brust der Mutter anschmiegt, so. daß das obere Drittel der Figur einen
abgezirkelt genauen keilförmigen Schluß bekommt. — Dagegen ist die Tiefen-
 
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