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Zeitschrift für christliche Kunst — 30.1917

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Dyroff, Adolf: Über die Bedeutung des Stuppacher Marienbildes von M. Grünewald
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https://doi.org/10.11588/diglit.4334#0156

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Nr. 11/12

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. ]39

ÜBER DIE BEDEUTUNG

DES STUPPACHER MARIENBILDES

VON M GRÜNEWALD

(Mit Tafel IX)

möchte ich den Kunsthistorikern eine Vermutung vorlegen, die für die zeitliche
Bestimmung des Bildes und für seine Bewertung ebenso wichtig werden kann,
wie für seine Interpretation. Auf dem Bilde fallen unter den Blumen drei Lilien
auf, die, wie besonders Franz Bock (Matthias Grünewald, München 1909, I S. 117)
erkannte, schon durch Kontrastwirkung die Aufmerksamkeit erzwingen. Ge-
wöhnlich wenden gute Künstler den Farbenkontrast nur dort an, wo sie die
Hauptsache oder eine Hauptsache erblicken. Mir stechen, seitdem mir das Bild,
d. h. eine erste Abbildung zu Gesichte kam, jedesmal gerade diese ungewöhnlich
groß gemalten, die Rosen und Nelken weitaus besiegenden weißen Lilien ins
Auge, und als Aschaffenburger mußte ich sofort und jedesmal wieder an eine
Aschaffenburger Sage denken. Daß ich dem Gedanken bisher nicht nachging
(ich äußerte ihn vor zwei Jahren einem bekannten Würzburger Historiker), hatte
zwei Gründe: 1. stand ich stets unter dem Eindruck, die im Bilde erscheinende
Kirche stelle eine Idealisierung des früheren Zustandes der Stiftskirche zu
Aschaffenburg dar, 2. hielt ich es für sehr unsicher, ob Grünewald das Lilien-
motiv kannte. In beiden Beziehungen bin ich jetzt eines Besseren belehrt. Heinr.
Alfr. Schmid (Monatsschrift für Kunstwissenschaft, I, 1908 S. 382) hat we-
nigstens das eine bewiesen, daß die Kirche des Stuppacher Bildes nicht die
Stiftskirche sein kann, weil Partien des Straßburger Münsters verwendet sind.
Nicht erwiesen hat er freilich, daß Grünewald auch das Straßburger Münster
selbst gemeint habe. Im Gegenteil hebt Schmid gerade wichtige Verschieden-
heiten hervor, die man in seinem großen Werk nachlesen mag (Die Gemälde
und Zeichnungen vom M. Gr., Straßburg II S. 212).

Eine genaue Betrachtung der Abbildung in dem Schmidschen Atlas der
Grünewaldsbilder bringt mich zu der Überzeugung, daß der Eingang der
dargestellten Kirche der Haupteingang ist, weil Personen die Stufen empor-
steigen und über dem Portal eine Muttergottes mit Kind ganz stark betont an-
gebracht ist, und daß demnach die Kirche nur eine Kapelle war von mäßigem
Umfang. Diese Muttergottes beweist, daß die Kapelle der Verehrung der Mutter-
gottes im allgemeinen und nicht etwa mit Bezug auf eine besondere Legende
von der Form der Maria-Schnee-Legende geweiht war. Die Wiederholung der
Madonna unten im Vordergrund besagt nur, daß eine lebendige Erscheinung
der Muttergottes vorschwebte. Die Szene findet vor einem Städtchen statt, das
recht ländlichen Charakter hat und in der Nähe eines mäßig hohen Gebirges
liegt; vielleicht ist auch ein bißchen Strom blau sichtbar, das Schmid als See
deutet. Aschaffenburg hatte noch bis ins XIX. Jahrh. seinen halb ländlichen
Anstrich behalten, für dessen früheres Vorhandensein noch einige Straßennamen
sprechen. In der Nähe breitet der Spessart seine Berge in weiten Bogen um die
Stadt, auch ist dunkler Wald ziemlich nahe, und selbst auf der Höhe des weiter
zurückliegenden Godelsberges sind nur Stücke vom leierartig gewundenen Band
 
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