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Zeitschrift für christliche Kunst — 30.1917

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Dyroff, Adolf: Über die Bedeutung des Stuppacher Marienbildes von M. Grünewald
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https://doi.org/10.11588/diglit.4334#0157

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 11/12

des Mainstromes aufleuchtend zu sehen. Und Aschaffenburg hatte
um 1500 ff. eine Kapelle „Zur weißen Lilie" am Rande
der Stadt. Ein Aufsatz von Roth im „Spessartkalender" für 1918 gibt
S. 71 ff. das Nähere über „Das Gnadenbild der Sandkirche in Aschaffenburg".
Seit 1250 stand dort eine kleine, seit 1273 eine größere Kapelle. 1380 bei
Erbauung der Stadtmauern wurde angeblich eine Veränderung dahin getroffen,
daß zu einer neuen Kapelle vom Sandtorturm her ein Zugang gemacht wurde,
so wie dies bei der jetzigen, 1755/56 errichteten großen Barockkirche der Fall
ist. 1517/18 ward, um von nicht hierher gehörigen Einzelheiten der wechsel-
vollen Baugeschichte zu schweigen, eine, wie Roth sagt, „angeblich spätgotische
Kapelle" an die Stelle der älteren gesetzt. Es war die Stadt Aschaffenburg selbst,
die das neue Gotteshaus stiftete. Die Urkunde vom Jahre 1517 bezeugt, „daß ein
Bild der gebenedeiten Gebärenn unseres Seligmachers zu Aschaffenburg unter
der Sandpfort vor etwa viel Jahren gestanden," daß das Bild in eine „geweihte
und zierliche Statt" gebracht werden sollte und deshalb eine „Kapelle zur
weißen Lilie" gebaut wurde1. Sonach war am Mittwoch nach Exaudi 1517, von
dem die Stiftungsurkunde stammt, die Kapelle schon gebaut und geweiht. Am
1. Februar 1518 stellt Albrecht von Brandenburg eine Genehmigungsurkunde
aus, die stilgemäß das Gleiche berichtet. Am 14. Juni 1519 erläßt Albrecht einen
Ablaßbrief zur Vermehrung der Andacht vor dem Gnadenbild. Somit ergibt
sich, daß 1517/19 die Kapelle zur weißen Lilie in Aschaffenburg Gegenstand
allergrößten Interesses war und daß gerade die Kreise, denen Grünewald nahe
stand, dieses Interesse bekundeten. Das Stuppacher Bild rührt aus Aschaffenburg
her. Solange nicht ein anderer Ort namhaft gemacht werden kann, der am Rande
seiner nächsten Umgebung eine ebenerdige Muttergotteskirche „Zur weißen
Lilie" hatte und zu Grünewald in gleich enger Beziehung stand, wie Aschaffen-
burg, hat keine zweite Kirche gleiches Anrecht auf das Bild wie die Aschaffen-
burger „Sandkapelle Unserer lieben Frauen zur weißen Lilien", wie sie in einem
Akt vom 12. VII. 1635 heißt (Jos. B a i e r 1 e i n , Aschaffen burger Kultur- und
Geschichtsbilder, 1891 S. 80). Der Einwand, daß vielleicht um 1517 die Sand-
kirche nicht so zur Umgebung orientiert war, wie das Stuppacher Gemälde es
darstellt, wäre bei einem Kunstwerke unerheblich. Die Gegend der Bet- und
Wermbachsgasse und gegen den Löhergraben hin konnte ganz gut vom Künstler
gemeint sein. Bedenklicher wäre der Hinweis darauf, daß das Gnadenbild eine
Pietä war, während auf Grünewalds Gemälde sowohl die große lebendige Madonna
als die steinerne über dem Portal das Jesuskind auf dem Schöße oder im Arme
tragen. Doch auch das macht unsere Annahme nicht hinfällig. Die Schmerzens-
mutter war ja in der Kapelle, wohl schon in alter Zeit wie jetzt am Altare; die
Urkunden von 1517 und 1518 betonen nachdrücklich den „zu Ehren unserer
lieben Frau", des hl. Martinus und Bonifaz und des hl. Kreuzes geweihten Altar
im Gegensatz zu dem früheren Zustand, bei dem das Muttergottesbild mehrere

1 Auf dem bekannten Bilde Aschaffenburgs von Merian ist die Sandkapelle deutlich
gezeichnet: sie hat da, obwohl Merian etwas übertrieb, eine immerhin hübsche Größe und
einen verhältnismäßig hohen, eigenartigen Turm. Da der erste nach 1517 erfolgte Neubau
der Sandkirche erst 1698 99 stattfand, muß Merian 1631 die spätgotische Kapelle im Auge
gehabt haben. Die Apsis der Kirche würde zu dem Grünewaldschen Bilde in der Lage
gut passen.
 
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