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Zeitschrift für christliche Kunst — 30.1917

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Witte, Fritz: Spätgotische Madonna
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https://doi.org/10.11588/diglit.4334#0153

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Nr. 10__________ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.__________137

beutel und die Haare sind vergoldet, die Sandalen schwarz, der Teufel rot, die
Mondsichel versilbert.

Wenig auffällig ist ein kümmerlicher Rest eines Rosenkranzes, der an der
linken Hand der Madonna zum Vorschein kommt. Und doch scheint mir dieser
Rest von einiger Bedeutung für die Figur selbst. Um die Wende des XV. Jahrh.
bildet sich vornehmlich in den Gebieten Westfalens, deren Plastiken sich um den
sogenannten „Meister von Osnabrück" gruppieren, eine ikonographische Eigen-
art aus: Die Madonnenbilder mit Mond und Teufel und einer Andeutung des
Rosenkranzes in irgendeinem Attribute, sei es nun in Gestalt eines die Gloriole
vertretenden Rosenkranzes mit zu je zehn gruppierten Rosen und abwechselnder
größerer Rose oder Wappenschild mit Leidenswerkzeugen, oder in Gestalt des
Rosenkranzes selbst. Als Beispiele nenne ich die noch in Liesborn erhaltene
eine Hälfte einer Doppelmadonna (zweite Hälfte im Landesmuseum Münster),
die prächtige Steinfigur im Diözesanmuseum in Osnabrück, in Stromberg in
Westfalen usw.1.

Auch stilistisch weisen alle diese Plastiken Beziehungen zueinander auf. Nicht
als wollten wir sie dem Meister von Osnabrück ausnahmslos zuschreiben. Sie
gehen alle, wie seine Arbeiten, auf niederländische Einflüsse zurück, unterein-
ander haben sie außerdem verwandtschaftliche Beziehungen, wenn auch dritten
Grades. Die Beschaffung urkundlichen Materiales wird gewiß noch einmal mehr
Licht in diese stark selbständige Gruppe westfälischer Plastiken bringen und
eine stattliche Schule mit großem Arbeitsfeld und von langer Dauer in ihren
Ausläufern uns vorführen. Die hier besprochene Madonna steht stilistisch der
holländischen Mutterschule wohl am nächsten; sie hat sich mancherlei Landes-
eigenarten bewahrt, vor allem das spießbürgerlich Derbe des Kopfes, das Ge-
spreizte in der Haltung des Kindes, ohne schon das Maninerte des Osnabrücker
Meisters und seines Kreises anzunehmen. Zum Vergleich sei hier hingewiesen
auf eine ähnliche Madonna im Erzbischöflichen Museum zu Utrecht2. Als Ent-
stehungszeit dürfen wir das erste Jahrzehnt des XVI. Jahrh. festlegen. Witte.

ßÜCHERSCHAU.

Die Bündner Glocken. Eine kul- werden geprüft, der Glockengießer geschil-
turhistonsche Studie aus Bünden von dert ,,im Schweiße seines Angesichtes", als
Christian C a m 1 n a d a , Truns. — Mit in seiner langen, schweren, meist lokalen Ar-
3 Federzeichnungen und 4 Autotypien. — beit. — Der „Glockentaufe" ist ein eigenes
Orell Füßli in Zürich, 1915. Geb. M. 2.40. Kapitel gewidmet, ebenso der „Glocken-
Die Glocke, gerade jetzt in den Vorder- seele", d, h. ihrem jeweiligen besonderen Ver-
grund des Interesses, weil der Wehmut um hältnisse zu der Gemeinde, und die ver-
ihren Abschied, gerückt, wird vom Verfasser schiedenen „Sitten", d. h. Arten des Glocken-
namentlich nach der Seite ihrer Poesie be- geläutes, also ihrer Veranlassungen und
handelt, wie sie besonders in seiner Grau- Zwecke, werden geschildert. — Der bischöf-
bündener Heimat seit Jahrhunderten sich be- liehe Glockenpatron St. Theodul, der im
hauptet. — Namen und Alter der Glocken Bündner Land sehr populär ist, wird an der

1 S. Ludo rf, Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Westfalen, Kreis Beckum, Taf. 41 ;
Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, Regierungsbezirk Osnabrück, Taf. VI;
Ludorf, a.a.O., Kreis Beckum, Taf.63, 2. Über den Meister von Osnabrück s. H. Schweitzer,
Die Skulpturensammlung des städt. Suermondt-Museums zu Aachen, S. 33.

- W. Vogelsang, Die Holzskulptur in den Niederlanden. I. Nr. 65
 
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