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Zeitschrift für christliche Kunst — 30.1917

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Neuss, Wilhelm: Die Kunst der Nazarener
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https://doi.org/10.11588/diglit.4334#0016

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

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so gern über Cornelius und seinen Kreis gestellt werden, sondern eben diese
Männer. Wir werden heute Bedenken haben, mit Preller, der doch selbst kein ge-
ringer Künstler war, auszurufen, seit Raffael und Michelangelo sei nicht mehr so
gezeichnet worden, wie von Cornelius18 und mit Riegel in Cornelius „nicht nur den
Gipfel der neuern, sondern überhaupt der deutschen Malerei zu bewundern"19,
wir werden vielleicht mit großem Erstaunen lesen, daß bei Overbecks erstem
Besuche in München 1831 die jungen Künstler und das Volk dem Wagen weit vor
das Tor entgegenzogen, in dem Cornelius den Freund brachte, und daß die
jungen Künstler unter allgemeinem Jubel des Volkes die Pferde ausspannten,
um ihn im Triumph selbst zu ziehen20. Aber solche Tatsachen zeigen, was diese
Männer ihrer Zeit bedeuteten.

In ihrem Lichte wird es vielleicht auch möglich sein, auf die Vorwürfe eine
gerechte Antwort zu geben, die man vom rein künstlerischen Standpunkte aus

Abb. 3. Ph. Veit, Die Einführung der Künste in Deutschland durch das Christentum. (Frankfurt, Stadel.)

ihrem Schaffen macht. Es sind hauptsächlich drei: Sie trieben einseitig Gedanken-
malerei, sie opferten in Rom ihre deutsche Art der Nachahmung des Fremden,
sie verstanden nichts von Licht und Farbe.

Gedankenkunst haben die größten Meister zu allen Zeiten getrieben. Was
alle Herzen im tiefsten Grunde bewegt, das muß der Künstler wie ein Seher künden,
sei er Dichter oder Maler, Baumeister oder Gebieter im Reiche der Töne. Aber
das ist es gerade, wirft man ein, daß die Nazarener tote Gedanken, die nicht
mehr Leben und Lebensrecht hatten, künstlich erwecken wollten, religiöse und
mittelalterlich-nationale. Ihr religiöses Streben, vor allem die Hinwendung so
vieler Künstler zur katholischen Kirche, aber überhaupt ihr gläubiges Christentum
ist für die modernen Kritiker der Nazarener der schlimmste Stein des An-
stoßes. Eine Blütenlese teils schiefer, teils unsinniger, ja gehässiger Äußerungen
über das Religiöse bei den Nazarenern zu sammeln, wäre sehr verlockend, würde
aber über den Rahmen dieses Aufsatzes hinausgehen. Der moderne freisinnige

18 Vgl. Herrn. Riegel, Cornelius, der Meister der deutschen Ma'erei, Hannover 1866,
S. 183. — 19 Ebendort S. 182. - » Förster a. a. O. II, S. 60.
 
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