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Zeitschrift für christliche Kunst — 30.1917

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Witte, Robert Bernhard: Architektur und Kirchenheizung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4334#0082

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70

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. 5

Qang

züge, die die anderen nicht haben, in sich vereinigen soll; der Dritte will sogar
eine Gasheizung einbauen usf. Der Pfarrer weiß bald nicht mehr ein noch aus;
und so ergattert sich dann der redegewandteste der Vertreter, der in vielen Fällen
selber nicht einmal Fachmann, sondern nur Kaufmann ist und von der Hei-
zungsanlage gerade soviel versteht, als auf seinem Prospekt gedruckt ist, den
Auftrag. In vielen Fällen ist es nun leider so, daß der Agent dem Pfarrer gerade
die Heizung, die dieser gerne ausgeführt sehen möchte, empfiehlt, lediglich um
ein Geschäft zu machen. Der Pfarrer glaubt sich in guten Händen und läßt
sich selbst nicht durch den Rat eines Sachverständigen von den vielen Nach-
teilen dieser geplanten Anlage überzeugen.

Die Heizung wird gebaut; sie funktioniert, zeigt zwar eine Reihe Unannehm-
lichkeiten, die ärgern, aber nicht mehr ohne weiteres abzustellen sind, und
schließlich fällt dem Pfarrer, als er sich eine gleichzeitig fertiggestellte Kirche
in der Nachbarschaft ansieht, das schöne Wort ein: das Bessere ist des Guten
Feind! Und weshalb hatte der Herr Konfrater eine bessere Heizung? Sein
Architekt hat ihn mit angesehenen, vertrauenswürdigen Heizungsfirmen zusammen-
gebracht; da waren alle Systeme gründlich und sachlich, zum Teil an Hand

von Anschlägen und Zeichnungen, durchge-
sprochen und miteinander verglichen worden.
Hier kommen wir zu einem wichtigen
Punkt. So wie die Kirchenheizung eingebaut
wird, muß der Organismus des Baues be-
rührt werden. Hierüber ein Gutachten ab-
zugeben, ist nur ein Architekt befugt, der auf
dem Gebiete des Kirchenbaues Autorität ist.
Wir sagen, ein Architekt, also nicht der Dorf-
mauermeister oder der Ortsbaumeister, auch
wenn er die Mauer- und andere Arbeiten
seinerzeit übertragen erhalten hatte. Wir verstehen unter einem Architekten
im eigentlichen und herkömmlichen Sinne einen Baukünstler, der auf Grund
angeborener künstlerischer Befähigung sich durch entsprechendes Studium und
praktische Tätigkeit die vielseitigen Kenntnisse erworben hat, die erforderlich
sind, um Werke zu scharfen, wie sie unseren heutigen Kulturforderungen sowie
den künstlerischen und den hohen technischen Ansprüchen der neueren Zeit ge-
recht werden; — der ferner seinem Beruf ausschließlich und vollständig sich widmet,
also nicht gleichzeitig als Unternehmer auftritt. Nur ein solcher Architekt ist
imstande, der Kirchenbehörde zu sagen, welche Art von Heizungsanlagen aus
den und den Gründen nicht in Frage kommen, welche Firmen Spezialprojekte
vorlegen und, wenn notwendig, welche von solchen Firmen unabhängigen Hei-
zungsingenieure diese Vorlage zu prüfen vermögen. Des weiteren wird der
Architekt imstande sein, die mit der Anlage verbundenen, meistens sehr er-
heblichen Bauarbeiten zu prüfen und zu überwachen, die gesamte Anlage abzu-
nehmen. — Eine der schwierigsten Forderungen, die nicht der Ingenieur,
sondern nur der Architekt beurteilen kann, ist insofern zu lösen, als die Anlage
unter keinen Umständen die Architektur des Kircheninnern durch Öfen, Luft-
kanäle, Rohrleitungen, Radiatoren usw., oder das Kirchenäußere durch An-
bauten für die Heizungskammern und Hochführen der Schornsteine stören darf.

k -

Abb. 1.
 
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