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Zeitschrift für christliche Kunst — 30.1917

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Endres, Joseph Anton: Die Darstellung der Gregorius-Messe im Mittelalter
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https://doi.org/10.11588/diglit.4334#0172

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Nr. 11 12 ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. 155

die Vatikanische Pinakothek besitzt, zeigt ikonographisch keinen Zusammenhang
mehr mit den aus dem Mittelalter stammenden Darstellungen, die unter dem
gleichen Namen gehen.

Die Entwicklung, welche die mittelalterliche Wiedergabe der Gregonusmesse
nahm, ist demnach in den wesentlichsten Zügen die folgende: Zuerst, und zwar
im Laufe des XIV. Jahrh. verbreitet sich das Erbärmdebild. Christus als
Halbfigur ist von einem Kranze stilisierter Wolken getragen, oder er steht ganz
vor uns mit Dornenkrone und Lendentuch, die Hände gekreuzt oder erhoben,
um die Wundmale zu weisen. Zuweilen lenkt unsere Aufmerksamkeit die eine
Hand auf die geöffnete Seite. Es kommt das Kreuz und die Grabkufe hinzu,
eine kleinere oder größere Anzahl von Leidenssymbolen, zuweilen Maria und
Johannes in inniger Teilnahme. Die Leidenssymbole erweisen sich bei näherem
Zusehen ursprünglich als Anspielungen auf die in S. Croce aufbewahrten Leidens-
rehquien. Als solche wurden daselbst verehrt vor allem Teile des hl. Kreuzes,
von dem die Kirche den Titel hat, die Inschrift des Kreuzes, ein Nagel der Kreuzi-
gung, ein Stück vom Schwamm, womit Christus Galle und Essig gereicht wurden,
ein Stück von seinem Kleide und ein Bruchstück vom Grabe des Erlösers, ferner
Dornen aus seiner Krone und die Geißelungssäule21. Alle diese Reliquien kehren
bei der Ausstattung des Erbärmdebildes und nachmals der Gregonusmesse wieder,
so namentlich das Kreuz mit dem Kreuzestitel rückwärts vom Heiland und über
ihm. Das Kleid des Herrn ist unter dem Querbalken des Kreuzes ausgespannt,
so daß es sich wie eine künstlerische Draperie des Hintergrundes ausnimmt und
nicht selten wohl auch so verstanden wurde. Insbesondere erklärt sich aus dem
Vorhandensein einer Grabesreliquie des Erlösers die eigentümliche Verbindung
des Erbärmdebildes mit dem Sarkophag-'. Schon bald sind übrigens auch andere
Andachtsgegenstände der ewigen Stadt mit in die Darstellung verflochten
worden, die sich nicht im Besitze der Heiligkreuzkirche selbst befanden, so das
hl. Antlitz von St. Peter, das in der Mitte des Sarkophags angebracht zu werden
pflegte usw.

Das Erbärmdebild erfreut sich bei kleinen und großen Meistern einer unleug-
baren Beliebtheit bis weit in die Renaissance hinein, am meisten wohl auf Grab-
denkmälern. '

Erst mit dem Beginn des XV. Jahrh. erweitert sich die künstlerische Wieder-
gabe in der Form, daß der hl. Gregonus am Altare kniend in die Darstellung
hineingezogen wird, wobei indes der Gedanke an die Feier der hl. Messe nicht
durchaus festgehalten ist-'. Allmählich gewinnt er aber die Vorherrschaft und
bedingt so einen zahlreichen Dienst von Klerikern um den Altar in allen Graden
der kirchlichen Hierarchie. —

a Vgl. P. P. Äußerer, Pilgerführer oder Wegweiser nach Rom und durch die Heilig-
tümer der hl. Stadt, Mainz 1873. 100 f.

24 Einige interessante Beispiele von Erbärmdebildern, siehe bei W. Roth es, Christus
des Heilands Leben, Leiden, Sterben und Verherrlichung in der bildenden Kunst aller Jahr-
hunderte, Köln (1910), 241 ff.

M Zwischen den primitiven Darstellungen der Gregoriusmesse und den aus demXIV. Jahrh.
stammenden Reliefs der Silbertürchen an^der kostbaren Umhüllung des Salvatorbildes von
Sancta Sanctorum besteht eine auffallende Ähnlichkeit. Siehe die Abbildung bei H. G r i s a r ,
Die römische Kapelle Sancta Sanctorum und ihr Schatz, Freiburg 1908, 48 f.
 
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